Schrott & Metall ?! recycling aktiv AUF EIN WORT Rohstoffe in Zukunftsbranchen – Versorgungssicherheit ja oder nein? Vitae: Dr. rer. nat. Beate Susanne Kummer ist Fachtoxikologin, geschäftsführende Gesellschafterin des Unternehmens Kummer: Umweltkommunikation GmbH, Naturwissenschaftlerin und ist als Gutachterin, Beraterin sowie Dozentin tätig. Sie ist Expertin für Fragen zu REACH, Gefahrstoffrecht, Umweltrecht und arbeitet auch als Beauftragte für Immissionsschutz und Abfall. Foto: Kummer Alexander Kazamias hat im Sommersemester 2019 seine Bachelorarbeit bei der Scholz Recycling GmbH über seltene Erden und kritische Rohstoffe verfasst. Im September 2019 beginnt er sein Masterstudium „Leadership in Industrial Sales and Technologie“ an der Hochschule Aalen. Foto: Kazamia Alexander Kazamias, Bachelor of Arts, Dr. Dipl.-Chem. Beate Kummer Können wir uns die Elektromobilität überhaupt leisten? Mit Blick auf die dazu notwendigen Rohstoffe wird deutlich, dass es noch eine ganze Menge zu tun gibt – auch in Bereichen, die uns vielleicht gar nicht so bewusst sind. Alexander Kazamias und Dr. Beate Kummer haben sich mit dem Thema intensiv beschäftigt und zeigen kreative Lösungswege auf. Aktuelle Umwelthemen wie der Dieselskandal, die Klimakrise und erhöhte CO 2 - Werte rücken bei der Elektromobilität immer mehr in den politischen Fokus. Um den enormen Wandel in der Mobilität tatsächlich in die Tat umzusetzen, werden große Mengen an kritischen Rohstoffen wie Kobalt, Lithium, Tantal und Neodym benötigt. So sind zum Beispiel Lithium und Kobalt unabdingbar für die Produktion von Batterien, ohne welche die Elektromobilität nicht denkbar ist. Weil für die Elektromobilität Permanentmagneten und Kondensatoren benötigt werden, steigt auch der Bedarf an Neodym und Tantal von Jahr zu Jahr. Als kritisch wird ein Rohstoff dann bezeichnet, wenn dieser systemrelevant für die europäische Wirtschaft und die Lieferung aus verschiedenen Gründen nicht immer sichergestellt ist. Ein Beispiel hierfür ist der wirtschaftsstrategische Rohstoff Neodym. Neodym wird überwiegend in China abgebaut, dadurch existiert eine hohe Abhängigkeit von China, was in diesen Zeiten von Handelsbeschränkungen ein großes Problem darstellt (aus: Studie on the review of the list of Critical Raw Materials von Deloitte Sustainability et al. S. 404). Kritische Förderbedingungen Die genannten Rohstoffe werden zwar schon in Automobilen mit konventionellen Antrieben sowie vielen Elektround Elektronikgeräten verbaut, aber nicht in der Menge, wie sie in Elektroautos benötigt werden. Besonders problematisch für die europäische Automobilindustrie ist, dass diese Rohstoffe fast ausschließlich nach Europa Importiert werden müssen. So kommen allein 64 Prozent des Weltkobaltbedarfs aus der Demokratischen Republik Kongo (aus: Studie on the review of the list of Critical Raw Materials von Deloitte Sustainability et al. S. 79). Hierbei ist nicht nur die Abhängigkeit von diesen Ländern ein Problem, sondern auch, dass die Verfügbarkeit dieser Rohstoffe in diesen Ländern politisch kritisch ist. So fließen Gelder aus den Verkaufserlösen in die Finanzierung von gewaltbereiten Milizen. Darüber hinaus wird ein Teil des Kobalts durch den Kleinbergbau zutage gefördert. Dieser wird durch die teils sehr arme Bevölkerung mit einfachstem Werkzeug ohne Schutzkleidung und in selbst gegrabenen ungesicherten Schächten abgebaut. Die Minenarbeiter verdienen dabei nur einen Hungerlohn von etwa vier Euro pro Tag (aus: Rohstoffabbau schadet Umwelt und Menschen von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen). Rohstoffliefe- 58 recycling aktiv 6/2019
Schrott & Metall rungen sind allerdings durch neue Bestimmungen wie beispielsweise den Dodd-Franck-Act (Dies ist ein Gesetz zur Erhöhung von Stabilität und Transparenz im US-amerikanischen Finanzsektor. Es enthält ein wenig bekanntes Regelwerk über Rohstoffe. Unternehmen werden verpflichtet, die Herkunft der Rohstoffe in ihren Produkten offenzulegen. Die Offenlegungspflicht bezieht sich insbesondere auf Zinn, Tantal, Wolfram und Gold (3TG), die in der Region der Großen Seen in Ostafrika gewonnen werden. Auch deutsche Zulieferer müssen sich mit den Folgen des Gesetzes auseinandersetzen, so die Verfasser) in der Wirtschaft stärker reglementiert. Es existieren mehr und mehr Offenlegungspflichten zur Herkunft und den Bedingungen zum Abbau. Auch der Abbau von Lithium in Südamerika erzeugt zahlreiche Probleme, der Bevölkerung werden zwar Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt, aber die Bedingungen sind weder für Mensch noch Umwelt förderlich. Durch die Förderung von Lithium wird das Grundwasser an die Oberfläche gepumpt, um dort in Becken so lange zu verdunsten, bis der Lithiumgehalt hoch genug ist, um es weiterzuverarbeiten. Dies hat zur Folge, dass es der Bevölkerung an Trinkwasser und an Wasser für die Landwirtschaft fehlt. Die regionalen Ökosysteme leiden bereits enorm unter den Folgen des Abbaus. Durch die Entnahme des Grundwassers gehen Salzwasserseen zurück, wodurch verschiedene – auch bedrohte – Tierarten ihren Lebensraum verlieren. Bedarfsprognosen für Lithiumspeicher in verschiedenen Nationen bis 2022. Quelle: Kummer, Kazamias Über eine Recyclingprämie ließen sich mehr Altautos der Verwertung innerhalb der EU zuführen. Verstärkte Recyclingbemühungen – schwierig umzusetzen Um diesen Konsequenzen zu begegnen und die Versorgungssicherheit einigermaßen zu sichern, sind verstärkte Recyclingbemühungen notwendig. Aktuelle Erhebungen des Öko-Institutes gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2050 ca. 40 Prozent des eingesetzten Lithiums und Kobalts aus Recyclingmaterial bestehen können, wenn bis dahin funktionierende Recyclingtechnologien für Lithium-Ionen- Batterien eingeführt sind (aus: Strategien für die nachhaltige Rohstoffversorgung der Elektromobilität von Öko-Institut e. V. S. 27). Aber woran liegt es, dass wir dies erst in ca. 30 Jahren erreichen? Auf der einen Seite liegt es daran, dass derzeit nicht genügend Altfahrzeuge und Elektronikschrott in der hochwertigen Verwertung ankommen. Auf der anderen Seite sind zwar Rohstoffe wie zum Beispiel Tantal und Neodym in vielen Bauteilen vorhanden, aber in nur sehr geringen Mengen. Die dissipative Verteilung macht ein Recycling heute noch fast großtechnisch unmöglich, insbesondere, wenn unbekannt ist, in welchen Mengen und welchen Bauteilen genau die Rohstoffe vorkommen. Deshalb deckt der Materialwert oftmals nicht einmal die Personalkosten beim Recycling und eine Rückgewinnung ist deshalb heute für die Unternehmen nicht wirtschaftlich. Deshalb sind bspw. verstärkt manuelle Vordemontagen in einer Übergangszeit zu diskutieren. Eine große Rolle fürs Recycling spielt das sogenannte „Eco-Design“ oder die „Verwertbarkeit“. Dieser Begriff beschreibt im Wesentlichen, dass die Hersteller bei der Konstruktion ihres Produkts auch das Lebensende zu betrachten haben, um einen möglichst effizienten Rückbau zu ermöglichen. Damit soll gewährleistet werden, dass so viele Rohstoffe wie möglich wiederverwendet und -verwertet werden können. Dies ist bis heute leider nur im Detail für elektrisch betriebene Geräte über recycling aktiv 6/2019 59
Die Fachzeitschrift für Recycling-
Leitartikel Klimafreundliches Bauen
Gruppe Aufbereitungstechnik Recycli
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