MENSCHEN ?! recycling aktiv INTERVIEW Für die Stahlrecyclingbranche war 2021 ein sicherlich bewegtes Jahr – „Grüner Stahl“ sowie der „Green Deal“ sind nur zwei Stichworte, die über die Branche hinaus plötzlich in aller Munde waren. Auf ihrer Jahrestagung 2021 hat die BDSV die neue Rolle und das neue Selbstverständnis von Schrott – gerade mit Blick auf den Klimaschutz – neu definiert: Der richtige Zeitpunkt also, um sich mit dem wiedergewählten BDSV-Präsidenten Andreas Schwenter über die Zukunft der Schrottbranche zu unterhalten. BDSV Schrott: Eine ganz besondere Rolle für den Klimaschutz ra: Herr Schwenter, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wiederwahl. Es gibt ja eine Menge zu tun, was sind Ihre Schwerpunkte? Andreas Schwenter: Herzlichen Dank für Ihre Glückwünsche zur Wiederwahl. Ja, in der Tat gibt es in unserer Branche viel zu tun und es bewegt sich sehr viel in Bereichen, die unsere Mitgliedsunternehmen unmittelbar betreffen. An vorderster Stelle möchte ich das aktuelle Thema „Revision der Verordnung zur Verbringung von Abfällen (VVA)“ nennen, die letztes Jahr von der EU-Kommission vorgestellt wurde. In unseren Stellungnahmen an die EU-Kommission gemeinsam mit den Partnerverbänden EuRIC, VDM und bvse haben wir vor allem deutlich gemacht, dass Stahlschrottexporte aus Europa auch weiterhin in Drittländer möglich sein müssen und dringend eine Unterscheidung von nicht aufbereiteten und hochqualitativen, aufbereiteten Abfällen stattfinden muss. Zu Letzteren gehören selbstverständlich Stahl- und Edelstahlschrotte. Klimaschutz macht an den Grenzen nicht halt! Ich sage es mal deutlich, die Branche ist sich hierbei in Europa einig, bei einer Exporteinschränkung für Schrott ist für uns eine rote Linie überschritten! ra: Überdies haben wir vier Kernthemen auf EU- und Bundesebene identifiziert, die ich kurz erläutern möchte: Andreas Schwenter: Mehr Einsatz von Recycling-Stahl: Wir wollen den Einsatz von Stahlschrott sowohl in der jetzigen als auch zukünftigen, wasserstoffbasierten Stahlherstellung erhöhen. Die Stahlherstellung im Elektrostahlverfahren muss ebenfalls ausgebaut werden, denn bekanntlich kommen hier fast ausschließlich Stahlschrotte zum Einsatz. Mit einem erhöhten Einsatz von Stahlschrott leisten wir einen Beitrag zur Senkung des CO 2 -Fußabdruckes der Stahlindustrie und zur Ressourcenschonung. Wir sind auch in der Lage, höhere Schrottqualitäten zu liefern, allerdings müssen die Abnehmer auch bereit sein, den höheren Preis hierfür zu zahlen. Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz müssen sich auszahlen: Beides wird es nicht zum Nulltarif geben. Daher fordern wir, dass Anreize geschaffen werden, den Einsatz von Stahlschrott in der Stahlherstellung zu erhöhen. Unsere neue Fraunhofer-IMW-Studie „Schrottbonus konkret“ hat für die aktuelle Revision des EU-ETS- Systems konkrete Vorschläge gemacht, die wir noch verfeinert haben und zeitnah auf EU-Ebene lobbyieren. Ein wichtiger Baustein werden auch die ausstehenden Maßnahmen der Bundesregierung zur Verhinderung von Carbon Leakage sowie eine faire CO 2 -Bepreisung von Abfällen sein. Recycling sichert Rohstoffe und die Versorgung der Industrie: Der Einsatz von Stahlschrott in der Stahlherstellung leistet einen herausragenden Beitrag zur Dekarbonisierung der Stahlindustrie und zur Ressourcenschonung. Hierdurch werden jährlich Klima- und Umweltkosten in Milliardenhöhe einge- 8 recycling aktiv 1/2022
MENSCHEN Andreas Schwenter: „Klimaschutz macht an den Grenzen nicht halt!” spart. Dieser Aspekt findet in der öffentlichen Diskussion, in der es hauptsächlich um die hochsubventionierte, wasserstoffbasierte Stahlherstellung geht, leider zu wenig Berücksichtigung. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die ökonomischen und ökologischen Rahmenbedingungen für den verstärkten Einsatz von Stahlschrott in der Stahlherstellung sowohl in Deutschland als auch in der EU gestärkt werden. Auf jeden Fall brauchen wir faire Marktbedingungen für Stahlschrott, zu denen auch der Erhalt der Stahlschrottexporte außerhalb Europas in Drittländer gehört. Deutschland braucht eine effizientere Kreislaufwirtschaft: Wir sehen eine große Chance, dass mit dem europäischen „Green Deal“ auch die Produktion von wirklichem „Green Steel“ ermöglicht wird. Dafür muss der Stahlschrotteinsatz in der aktuellen Hochofenroute, in der übergangsweise auch Erdgas als Reduktionsmittel eingesetzt werden soll, als auch in der zukünftigen wasserstoffbasierten Stahlherstellung erhöht werden. Um den Anforderungen an wirklich „grünem Stahl“ noch besser gerecht zu werden, sollte der hierfür benötigte, immense Strombedarf aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Dies gilt auch für Elektrostahlwerke, in denen fast ausschließlich hochwertige Schrotte zur Stahlherstellung eingesetzt werden. Eine Antwort darauf, wie dieser enorme Strombedarf gedeckt werden kann, bleibt die Politik uns allerdings schuldig. Darüber hinaus schlagen wir vor, dass die Verwendung von recyceltem Stahl, z. B. in Autos oder sonstigen Konsumgütern, mit einem Gütesiegel versehen wird, ähnlich wie dies heute bereits in der Verpackungsindustrie der Fall ist. Unsere neuste Broschüre „Themen & Aufgaben 2021/2022“ enthält weitere Ausführungen zu unseren Themenschwerpunkten. ra: Die konjunkturellen Rahmenbedingungen sind alles andere als einfach. Sie sagen: „Zu den drängendsten Problemen zählen die hohen Energiekosten und der Mangel an Fachkräften und Lkw-Fahrern.“ Wie werden Sie diese Probleme konkret angehen? Andreas Schwenter: Das Problem der hohen Energiekosten und der Mangel an Fachkräften sowie Lkw-Fahrern ist branchen- und länderübergreifend. Die fortschreitende Corona-Situation hat die Lage zusätzlich befeuert. Die hohen Energiekosten, die sich insbesondere im Laufe der zweiten Jahreshälfte 2021 entwickelt haben, belasten auch die Stahlrecyclingbranche massiv und hemmen das Wirtschaftswachstum insgesamt. Die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie lässt die Nachfrage steigen, in Asien wächst der Energiehunger. In Europa ist die Gasfördermenge gesunken, unter anderem wegen Wartungsarbeiten. Außerdem liefert Gazprom aus Russland nicht mehr als die vereinbarten Mengen. Bereits im Herbst 2021 haben die EU und die Bundesregierung Maßnahmen vorgeschlagen, die bislang jedoch kaum umgesetzt bzw. keine Wirkung zeigen. Die Industrieunternehmen werden mit den Folgen der hohen Energiekosten somit allein gelassen. Abnehmer unseres aufbereiteten Stahlschrotts, wie z. B. die Elektrostahlwerke, mussten bereits vorübergehend ihren Betrieb einstellen oder die Produktion an bestimmten Time- Slots mit günstigeren Strompreisen ausrichten. De facto ist es derzeit so, dass das Recycling von Stahl- und Edelstahlschrott unter den hohen Energiepreisen massiv leidet und somit auch die Einhaltung der europäischen und deutschen Klimaschutzziele gefährdet. Mit dem Mangel an Fachkräften beschäftigt sich die BDSV seit geraumer Zeit. Derzeit gibt es z. B. Planungen, in Zusammenarbeit mit unserem Weiterbildungsinstitut ISM – Institut für Schrott und Metalle – eine Arbeitgebermarke für unsere Branche zu erstellen. Wir können auch auf bestehende Initiativen, z. B. die unseres Fachausschusses Legierter Stahlschrott, zurückgreifen, die in einer umfassenden Präsentation zahlreiche Berufsfelder im Stahl- und Edelstahlrecyclingbereich zum Zwecke der Vorstellung bei Berufsbildungstagen oder auch in Universitätsveranstaltungen informiert. Wer in unserer Branche arbeitet, erwartet in jedem Berufsfeld ein nachhaltiger und zukunftssicherer Arbeitsplatz. Dies können nur wenige Arbeitgeber von sich behaupten. Das Thema Mangel an Lkw-Fahrern betrifft unsere Branche ebenfalls sehr stark. Im Wettbewerb mit anderen Arbeitgebern können unsere Mitgliedsunternehmen damit werben, dass Lkw-Fahrer in der Stahlrecyclingbranche im Gegensatz zu anderen Branchen, in denen überregional und regional tätige Lkw-Fahrer oftmals wochen- und monatelang von zu Hause weg sind, überwiegend lokal oder regional ihre Arbeit verrichten. Der Mangel an Lkw-Fahrern könnte auch durch die Verlagerung der Schrotttransporte auf die Bahn verringert werden. Nicht nur aus diesem Grund begrüßen wir eine weitere Verlagerung der Schrotttransporte auf die Bahn und sind hier seit Jahren mit der Deutschen Bahn mit zahlreichen Projekten im engen Austausch. Die Einführung des neuen m2-Tragwagens für einen modularen Transport von Schrott mit Wechselbehältern wird mehr Schrott auf die Schiene bringen. ra: Zum Schrottbonus heißt es: „Der Schrottbonus ist in den europäischen Preismechanismus zu integrieren, um als Instrument für fairen Wettbewerb in den globalen Wertschöpfungsketten der Stahlherstellung zu wirken.“ Wie soll das umgesetzt werden? recycling aktiv 1/2022 9
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