6 WIRTSCHAFT BBodSchV 2023: zwischen Bestandsschutz, Übergangszeiten und Verunsicherung Am 1. August 2023 ist die neue BBodSchV in Kraft getreten. Der Verordnungsgeber reagierte damit auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im sog. „zweiten Tongrubenurteil“ und goss die vormaligen LAGA-Regeln in eine rechtsverbindliche Form. Dadurch wurden die Anforderungen an die Verwertung von mineralischen Abfällen durch Verfüllung von Abgrabungen und Tagebauen rechtlich verbindlich geregelt. Die geänderten Regelungen haben aber auch zu einer Reihe neuer Rechtsfragen geführt. Wir haben die auf Umwelt- und Planungsrecht spezialisierten Rechtsanwälte Dr. Antonia Schlicht (Kunz Rechtsanwälte, Köln) und Dr. Dominik Snjka (Redeker Sellner Dahs, Bonn) eingeladen, um über die in der Praxis auftretenden Probleme zu berichten. Welche Probleme sind hinsichtlich dieser Übergangsbestimmung in der Praxis aufgetreten? Dr. Snjka: Es scheint, dass die fachrechtlichen Besonderheiten des Bergrechts in der Vorschrift nicht hinreichend berücksichtigt wurden. Bergbauliche Vorhaben sind naturgemäß langfristig angelegt. Gerade bergrechtliche Hauptbetriebsplanzulassungen werden allerdings nur für relativ kurze Zeiträume erteilt. Die gesetzliche Regelung geht sogar von einer Regeldauer von nur zwei Jahren aus. Dr. Schlicht: Mit Blick auf die Regelung § 28 BBodSchV stellt sich daher die Frage, wie damit umzugehen ist, dass die Norm zwei Voraussetzungen aufstellt – und zwar eine zeitliche Komponente und eine qualitative Anforderung an die Zulassung. Wir haben schon erlebt, dass die Zulassungsbehörden das Datum des Verlängerungsbescheids als Begründung dafür anführen, dass nun die neuen Grenzwerte für die zu verfüllenden Materialien gelten sollen. § 28 Abs. 1 BBodSchG schreibt jedoch nicht nur diese zeitliche Komponente vor, sondern ergänzt, dass die Zulassung zugleich Anforderungen an die auf- oder einzubringenden Materialien festlegen soll. Dr. Snjka: Der Verordnungsgeber hat die Situation für die Praxis nämlich vorausgesehen und begründet die in Rede stehende Vorschrift gerade damit, dass damit der Eingriff in die Rechtsposition des Betreibers einer Verfüllung auf ein sehr geringes Maß reduziert werden soll. FACHKUNDIGE EXPERTEN im GP-Interview: Dr. Antonia Schlicht und Dr. Dominik Snjka. Fotos: privat/Marcus Gloger GP: Frau Dr. Schlicht, Herr Dr. Snjka, welche Probleme haben Sie in der Praxis unserer Mitglieder im Zusammenhang mit der jüngsten Novellierung der BBodSchV mitbekommen? Dr. Antonia Schlicht: Man merkt den Betrieben – aber auch den Behörden – die Verunsicherung infolge des veränderten Rechtsrahmens an. Viele Betriebe fragen sich, ob sie weiter ausreichenden Bestandsschutz haben werden und zu welchem Zeitpunkt neue Grenzwerte greifen. Dr. Dominik Snjka: Das liegt vor allem an der Übergangsvorschrift in § 28 Abs. 1 BBodSchV. Zu dieser Vorschrift hatten Wirtschaftsverbände während des Verordnungsgebungsprozesses auch Stellungnahmen abgegeben. § 28 Abs. 1 BBodSchV besagt: Werden Materialien bei Verfüllungen von Abgrabungen aufgrund von Zulassungen, die vor dem 16. Juli 2021 erteilt wurden und die Anforderungen an die auf- oder einzubringenden Materialien festlegen, auf oder in den Boden auf- oder eingebracht, sind die Anforderungen dieser Verordnung erst ab dem 1. August 2031 einzuhalten. Diese Übergangsvorschrift soll den Vertrauensschutz und, durch die achtjährige Übergangszeit, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahren. Haben Sie ein Beispiel für die konkreten Auswirkungen? Dr. Schlicht: Im Freistaat Thüringen haben wir beispielsweise Mandanten, die ihre Hauptbetriebspläne verlängern müssen. Nach unserer Rechtsauffassung handelt es sich bei einer solchen Verlängerung um eine zeitliche Weitergeltung der ursprünglichen Genehmigung in unveränderter Form und nicht um eine Neubescheidung. Der Tenor eines solchen Bescheids lautet häufig „Die Genehmigung vom ... wird verlängert bis zum ...“. Dadurch zeigt die Behörde an, dass sie auf die bereits bestehende Genehmigung Bezug nimmt. Die Genehmigungsfrage im Bergrecht ist sehr komplex. Bei einer Verlängerung stellt sie sich für die Behörde jedoch nicht gänzlich neu. Wir sind daher der Meinung, dass in diesem Fall die Übergangsfrist des § 28 Abs. 1 BBodSchV greifen sollte – gerade, weil die kumulativen Voraussetzungen nicht vorliegen. Nur das ist aus unserer Sicht noch verhältnismäßig. Wenn nun von GESTEINS Perspektiven 5 | 2024
WIRTSCHAFT 7 heute auf morgen neue Grenzwerte gelten, sind die großen Investitionen, die im Bergbau an der Tagesordnung sind, zum Teil infrage gestellt. Welche Sicht haben denn die zuständigen Behörden hinsichtlich der Übergangsbestimmung? Dr. Snjka: Die Behörden halten daran fest, dass eine Verlängerung der ursprünglichen Regelung die vorangegangene Betriebsgenehmigung ersetzt. Diese Vorgehensweise wird auch als „Kettenverwaltungsakt“ bezeichnet. Dadurch behalten sie die Möglichkeit, ein Vorhaben neu zu bewerten oder Gesetzesänderungen wie durch die BBodSchV zeitnah umzusetzen. Im Baurecht wird dies ganz ähnlich gesehen. Dr. Schlicht: Wenn die Behörden diese Auffassung weiter vertreten, wird dies aber auch Konsequenzen für das Verwaltungsverfahren haben. Die zuständige Behörde muss dann ebenfalls – in der Regel alle zwei Jahre – nach umfassender Untersuchung des zugrunde liegenden Sachverhalts zu einer beurteilungsfehlerfreien Entscheidung kommen. Welche Folgen hätte das dann für die Unternehmen? Dr. Schlicht: Für die Unternehmen führt dies dazu, dass sie Änderungen der Grenzwerte in der BBodSchV einhalten müssen. Gegebenenfalls müssen zugrunde liegende Fachgutachten angepasst werden. In jedem Fall entstehen erhebliche Mehrkosten. Daneben bleibt noch die Chance für Betriebe, bei der zuständigen Behörde beispielsweise über § 8 Abs. 7 BBodSchV eine Ausnahmebewilligung zu erwirken. Dr. Snjka: Die Hürden hierfür sind jedoch hoch. Denn nach der gesetzlichen Regelung kommt eine solche Ausnahme für eine schadlose Verwertung nur in Betracht, wenn die maßgeblichen Grenzwerte nur „unerheblich“ überschritten werden. VORSORGENDER BODENSCHUTZ unterliegt speziellen Vorgaben. Foto: pixabay Gibt es weitere Beispiele, bei denen die neue Übergangsvorschriften zu Schwierigkeiten führen? Dr. Snjka: Letztlich stellen sich ähnliche Fragen auch bei einem ganz „normalen“ größeren Abbaugeschehen, das in mehreren Abschnitten durchgeführt wird. Hier müssen für die jeweiligen Abschnitte des Gesamtvorhabens immer wieder neue Hauptbetriebsplanzulassungen beantragt werden. Wegen der kurzen Geltungsdauer der Zulassungsbescheide hilft die längere Übergangsregel nicht entscheidend weiter, weil im Rahmen des neuen Zulassungsantrags womöglich doch deutlich früher als 2031 die neuen Grenzwerte herangezogen werden sollen. Dies muss nicht, kann aber im Einzelfall durchaus Komplikationen mit sich bringen, wenn die ursprünglichen Grundannahmen noch mal auf den Prüfstand gestellt werden. Dr. Schlicht: Dem stimme ich zu. Auch hier müsste man sich unter Umständen die Frage stellen, ob nicht eigentlich – im Sinne eines „erweiterten Bestandsschutzes“ – das ursprüngliche „Gesamtvorhaben“ noch im Rahmen des ursprünglichen Regimes zugelassen werden sollte. Der Wortlaut des § 28 Abs. 1 BBodSchV ist in diesem Punkt scheinbar nicht eindeutig genug und müsste angepasst werden. Dr. Snjka: Es muss bereits nach dem Wortlaut deutlich werden, wie die Situation zu bewerten ist, wenn für ein Vorhaben ein Rahmenbetriebsplan festgestellt wurde. Dieser stellt noch keine unmittelbare Vorhabenzulassung dar, sondern muss durch weitere Haupt- und Sonderbetriebspläne konkretisiert werden. Wenn aber im Rahmen des Rahmenbetriebsplanverfahrens bereits Fragen des Bodenschutzes „abgearbeitet“ wurden, sind die Maßstäbe der Rahmenbetriebsplanzulassung auch für die nachfolgende Hauptbetriebsplanung verbindlich. Auf Ebene der Hauptbetriebsplanung sollten die neuen Anforderungen während des Überleitungszeitraums nicht anzuwenden sein. Gilt die Übergangsbestimmung für alle Betriebe, die Rohstoffe gewinnen? Dr. Schlicht: Unglücklicherweise ist die Übergangsbestimmung auch in diesem Teil unbestimmt. Denn nach dem Wortlaut bezieht sich § 28 Abs. 1 BBodSchV nur auf „Abgrabungen“, womit die Frage aufgeworfen ist, ob sie denn auch für Vorhaben gilt, die ausschließlich dem Bundesberggesetz unterliegen. Dr. Snjka: Gleichzeitig bezieht sich die Regelung auf „Zulassungen“, was nach traditionellem Begriffsverständnis vor allem Betriebe erfasst, die dem Bergrecht unterfallen. In anderen Gesetzen, also z. B. im Abgrabungsgesetz oder im Bundesimmissionsschutzgesetz, ist dagegen von „Genehmigungen“ die Rede. Aber das sind natürlich nur begriffliche Feinheiten. Am Ende dürfte es – schon aus Gründen der Gleichbehandlung – keinen Zweifel geben, dass alle Rohstoffgewinnungsbetriebe gemeint sein sollen. Auf Bundesebene gibt es daher derzeit Bemühungen der Verbände, insbesondere auch des Bundesverbandes Mineralische Rohstoffe, MIRO, um eine Klarstellung, dass selbstverständlich die Übergangsvorschrift auch den nach dem Bundesberggesetz genehmigten Tagebauen zugutekommen soll. Denn die Vorschrift des § 28 Abs. 1 BBodSchV gilt analog auch für Tagebaue, da Vorgaben an den vorsorgenden Bodenschutz bei Verfüllungen von Abgrabungen schließlich mit denen von Verfüllungen von Tagebauen vergleichbar sind. www.kunzrechtsanwaelte.de www.redeker.de 5 | 2024 GESTEINS Perspektiven
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