64 TREFFPUNKT Ausblicke und Innovationen für klimasicheres Bauen Die Anforderungen an den Wohnungs- und Straßenbau der Zukunft sind hoch. Es gilt, klimaneutral zu werden, dabei jedoch die hohe Bauqualität beizubehalten sowie regional und heimisch zu produzieren, damit „die Gesellschaft auch in Zukunft auf die Bau- und Rohstoffbranche bauen kann“, fasste der Vizepräsident des Industrieverbands Steine und Erden Baden-Württemberg (ISTE), Thomas Karcher, die Anstrengungen der Branche bei seiner Begrüßung auf dem jährlichen Baustoff-Technik-Tag zusammen. Dieses Jahr diskutierten und informierten sich rund 70 Interessierte in Filderstadt über die entscheidende Frage. PRIMA KLIMA IN FILDERSTADT: Die Referentinnen und Referenten des diesjährigen Baustoff-Technik-Tags zusammen mit Gastgebern des ISTE. Aus Sicht der Verwaltung bedeutet das vor allem durchdachtes Investitionsmanagement. Vera Schmidt, Oberbaurätin, aus dem Referat für Straßenbautechnik, Wiederverwertung und Vergabewesen im Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg, berichtete über die Innovationen der Landesregierung in der Verkehrsinfrastruktur. Aus den Zahlen werde deutlich, dass es gelte, die Infrastruktur zu erhalten, anstatt sie neu zu bauen, erklärte die. Heller Asphalt und Recycling für die Straßen der Zukunft „Der Wille der Landesregierung, klimafreundliche Techniken zu fördern, ist groß. Um CO 2 zu reduzieren, braucht es eine rasche Mobilitätswende und einen guten Austausch mit der Industrie“, so Schmidt. Auch durch Baustoffe und Bauverfahren in der Straßen- und Verkehrsinfrastruktur könnten wesentliche Emissionen eingespart werden, so die Referentin. Als technischen Ansatz nannte sie aufgehellte Asphaltdeckschichten, die – neben mehr Beschattung – die Oberflächentemperatur deutlich senken und das Mikroklima verbessern können, wie aktuelle Pilotprojekte zeigten. Hierbei sei man in Baden- Württemberg mit der alpinen Moräne als gängig verwendeten hellen Naturstein bereits auf einem sehr hohen Niveau und demnach sollte dieser regionale Rohstoff weiter gefördert werden. Um die Aufhellung von Verkehrsflächen ging es auch beim Vortrag von Lena Mugele, Masterabsolventin der Hochschule für Technik in Stuttgart, die ihre Forschungsarbeit präsentierte. Sie untersuchte, welche Oberflächeneigenschaften eine Aufheizung in Städten verringern könnten. Eine Parameterstudie ihrer Ergebnisse zeigte, dass Asphalte mit einer hohen Rohdichte, hoher Wärmeleitfähigkeit und hohem Wärmeübergangskoeffizient sowie geringem Absorptionsgrad abkühlend wirken. Vor allem helle Oberflächen, wie weiß eingefärbter oder sandgestrahlter Asphalt, sowie Waschbeton zeigten diese Eigenschaften. Björn Beutinger von der Autobahn Südwest stellte aktuelle regionale Pilotprojekte zur ressourcensparenden Prozessoptimierung im Autobahnbau vor. Dazu gehöre es, Transportwege zu verkürzen und Granulat möglichst gleich vor Ort wiederzuverwenden, Bauaufträge anhand emissionsangepasster Vergabekriterien zu vergeben sowie die Asphalttragschicht langlebiger zu konzipieren – „wir erhoffen uns so eine längere Nutzungsdauer des eingesetzten Rohstoffes“, betonte er. Personalmangel und komplexe Auflagen der Verwaltung stellten jedoch eine große Herausforderung für die innovative Autobahninstandhaltung dar. Hannes Krüger, Geschäftsführer Technik beim Bundesverband der Deutschen Transportbetonindustrie (BTB), stellte die neue Normengeneration DIN 1045 für den Betonbau vor, die seit August 2023 in Kraft ist. Er gab in seinem Vortrag umfangreiche Einblicke in deren Teil 2 und in den neuen Teil 1000. Für die Herstellung und Lieferung von Transportbeton sei Teil 2 der DIN 1045 weiterhin das relevante Dokument. Die neue Ausgabe enthalte sowohl die Abschnitte aus der EN 206 als auch die nationalen Ergänzungen zum BBQ-Konzept. DIN 1045-2 ersetze somit den bisherigen DIN-Fachbericht 100. Die komplett neue Norm DIN 1045-1000 beschreibe das BBQ-Konzept mit dem zugehörigen Kommunikationsprozess. Diese neue GESTEINS Perspektiven 3 | 2024
TREFFPUNKT 65 Norm übernehme damit die Schnittstelle von Planung, Betontechnik und Bauausführung und stelle die Qualität im Betonbau sicher. R-Zement, 3D-Betondruck und Grinding – reale technische Lösungen Bei aller Anstrengung zur Optimierung – es wird bereits viel recycelt. Frank Schlotter und Horst Erler von Holcim Süddeutschland sowie Michael Brogle von Neustark sprachen sich gemeinsam in einem starken Plädoyer für mehr Tempo in Richtung Kreislaufwirtschaft aus. Beton sei das mengenmäßig meistverbaute Material und sorge global für 7 bis 8 % aller klimaschädlichen Emissionen. Das müsse sich schnell ändern. Die beiden Firmen brachten dafür konkrete Erfahrungen aus der Schweiz mit. Technisch habe sich beim qualitativ hochwertigen Beton- und Zementrecycling viel getan, der Haken sei in Deutschland die Zulassung. „Die Schweiz hat diesen Zement schon lange“ – seit 2017, so Erler. Mischgranulat sei dort für alle Anwendungen zugelassen und sogar in die Norm aufgenommen. Neustark gehe laut Brogle sogar noch einen Schritt weiter und rekarbonatisiere Beton, finanziert durch freiwilligen Emissionshandel. Fazit: „wir müssen schneller werden, damit uns die Zukunft nicht einholt“. Nach Zukunftsmusik sieht der mobile 3D-Betondrucker Karlos von Putzmeister aus. Markus Schilling erklärte die vollautomatisierte Betonverarbeitungstechnik des Baumaschinenherstellers. Dabei kämen auch elektrische Maschinen für verschiedenste Produktionsschritte zum Einsatz, wie E-Mischer. Die Vision: „Wir wollen einen durchgängigen digitalen Prozess, um nachhaltiger und kosteneffizienter zu bauen.“ Zurück zur alten Fahrbahn – Innovation bedeutet auch, Bestehendes und Altbewährtes technisch zu sanieren und möglichst lange zu erhalten. Thomas Wolf, Strabag, zeigte einen solchen technischen Weg auf: beim sogenannten „Grinding“ werden Rillen längs in die Deckschicht von Autobahnen aus Waschbeton eingefräst. Das Ergebnis: nur 3 mm dünner und die Fahrbahn ist spürbar griffiger und ebener, was wiederum den Verschleiß verlangsamt und lärmmindernd wirkt. Auch Zement kann dadurch bei neuen Strecken teilweise gespart werden. Daniel Schulz brachte ebenfalls eine Innovation von bereits etablierten Prozessen mit. „Insiter ist ein Schnittstellennormierungskonzept“, so der Vertreter der Oberrhein-Handels- Union. Die digitale Abwicklung von Prozessen sei unumstößlich geworden, der Informationsbedarf wachse stetig und es müssten Rahmenbedingungen mit sicheren, einfach anwendbaren technologie- und softwareoffenen Systemen geschaffen werden. Der Arbeitskreis Digitalisierung des ISTE habe sich dieser Herausforderung erfolgreich angenommen, die individuelle Digitalisierung der Kundenschnittstelle werde durch Insiter möglich. The Big Picture: Prognosen für den Wasserstoff Was passiert, wenn alle Prozesse optimiert, auch die letzte Gesteinskörnung recycelt, Effizienz und Innovation an ihren natürlichen Grenzen angekommen sind? Antworten zu diesen größeren Zusammenhängen brachte Maike Schmidt vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden- Württemberg (ZSW) mit. „Die letzten Schritte zur Klimaneutralität der Baustoffbranche werden nicht ohne synthetischen Wasserstoff als Energieträger auskommen“, so die Wirtschaftsingenieurin. Sie präsentierte Studienergebnisse einer groß angelegten Wasserstoffbedarfsermittlung im vergangenen Jahr. Eine solche Abschätzung sei dringend nötig, um den bereits beschlossenen Wasserstoffkernnetzausbau sinnvoll zu planen. Neutralitätsanforderungen und grüne Energie würden zunehmend zum maßgebenden Standortfaktor und stellten Industrie wie Politik vor riesige logistische Herausforderungen, was eine gute Abstimmung nötig mache. Neben gut vernetzten Wasserstoff-Hubs müsse man die Vor- Ort-Erzeugung mit mobilen Elektrolyseuren als Lösung in Betracht ziehen. Am Ende des Baustofftechniktages war klar zu sehen: Das Klima rund um die Baustoffbranche ist in Fahrt. Zukunftssicher heißt klimasicher bauen, sowohl im Sinne technischer Anpassungen als auch insgesamt emissionsärmerer Produktion. Der Wille ist groß, die Wege sind vielfältig. www.iste.de INTERESSIERT: Rund 70 Personen aus Industrie, Wissenschaft und Verwaltung kamen, um sich zu informieren und auszutauschen. Fotos: ISTE 3 | 2024 GESTEINS Perspektiven
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