6 ZUR SACHE QUARZFEINSTAUB Eine unsichtbare Gefahr? Mineralischer Staub ist ein beständiger Begleiter der Gesteinsgewinnung und -aufbereitung, der unter bestimmten Umständen auch gesundheitsgefährdend sein kann. Zu den als besonders problematisch eingestuften Stäuben zählt der Quarzfeinstaub. Hierunter fällt laut Definition die lungengängige Fraktion des kristallinen Siliziumdioxids (SiO 2 ), denn langjähriges Einatmen von alveolengängigem Quarzfeinstaub in hohen Dosen kann diverse Lungenkrankheiten hervorrufen. Silikose, also die „Staublunge“ der Bergleute, die zu Lungenkrebs führen kann, ist die älteste Berufskrankheit überhaupt. Für Arbeitsplätze mit entsprechender Disposition gelten deshalb strenge einzuhaltende Grenzwerte. Im Jahr 2006 haben die relevanten europäischen Verbände – in Deutschland federführend auch MIRO – im Interesse ihrer Unternehmen einen „Sozialen Dialog Quarzfeinstaub“ etabliert. Dieses „Übereinkommen über den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer durch gute Handhabung und Verwendung von kristallinem Siliziumdioxid und dieses enthaltene Produkte“ entspricht einer Selbstverpflichtung der Industrie. Unter Berücksichtigung der in den Maastrichter Verträgen verankerten Sozialvorschriften wird demnach die Ist-Situation der Staubschutzmaßnahmen verbessert, regelmäßig dokumentiert und industriespezifisch erfasst – bundes- und europaweit. Unmittelbare Folge dessen ist ein regelmäßiges Monitoring auf europäischer Ebene, das die Industrie seither begleitet. Hierfür findet alle zwei Jahre eine europaweite Umfrage zur Ist-Situation der Quarzfeinstaubprävention unter dem Akronym „Nepsi“ statt. Die Selbstverpflichtung fand die „Billigung“ der Europäischen Kommission, die alternativ im Zuge der Harmonisierung europäischer Vorschriften die Festlegung eines europaweit gültigen Grenzwertes am Arbeitsplatz plante. Dank des Sozialen Dialogs gelang es, die 2018 erfolgte Festsetzung eines europäischen Grenzwertes für Quarzfeinstaub am Arbeitsplatz auf einen für die Industrie verträglichen Wert in Höhe von 0,1 mg/m 3 zu vereinbaren. Dieser Wert berücksichtigt den Gesundheitsschutz der Beschäftigten ebenso wie er verhindert, dass betroffene Betriebe wegen Schutzmaßnahmen und praxisfernen Regelungen ihre Tätigkeiten einstellen müssen. Mitte Januar 2024 startete europaweit die nunmehr neunte Datenerfassung zum „Sozialen Dialog Quarzfeinstaub“ in allen betroffenen Industriezweigen. Ein aktueller – und neuer – Teil der Kampagne ist eine Veranstaltungsreihe in den EU-Mitgliedstaaten mit dem Ziel, Nepsi weiter bekannt zu machen. In Deutschland bezog die EU-Kommission am 27. Februar in Kassel Station. In Form eines ganztägigen Seminars konnten sich die Teilnehmer mit den Vorsitzenden des europäischen Nepsi-Rates unmittelbar austauschen. Von unterschiedlichen Referenten wurden die Ziele des Projektes dargestellt sowie ein Überblick über den Ist-Zustand der Quarzfeinstaubsituation gegeben. Einzelbeispiele aus unterschiedlichen Branchen der deutschen Industrie trugen zur Veranschaulichung bei. Die neue, internationale Seminarreihe flankiert die aktuelle Datenerhebung, zu deren Teilnahme alle betroffenen Unternehmen aufgerufen wurden. Die Umfrageergebnisse sollen unmittelbar in die Verhandlungspositionen gegenüber der EU-Kommission und der Generaldirektion für „Beschäftigung und Soziales“ einfließen. STIMMIGES TEAMWORK: Die Kommissionsvorsitzenden erläuterten in Kassel die Hintergründe zum Nepsi-Dialog, darunter Walter Nelles (M.). Fotos: bwi GP: Herr Nelles, wo liegen die Hauptberührungspunkte unserer Unternehmen mit Quarzfeinstaub? Walter Nelles: Fast jedes Gestein enthält mehr oder weniger Quarz-Mineralbestandteile. In Gewinnungs- und Aufbereitungsprozessen wird deshalb meist auch Quarzfeinstaub freigesetzt. Von daher kann man den Feinstaub an den Arbeitsplätzen tatsächlich auch als „Geißel“ der Unternehmenssparte bezeichnen. Problematisch ist, dass wir bei alveolengängigem Quarzstaub über Partikelgrößen < 4 µm sprechen, also nur ein zwanzigstel der Dicke eines menschlichen Haars. Wenn wir an den Arbeitsplätzen optisch keinen nennenswerten Staub sehen, kann die Luft dennoch mit Quarzfeinstaub belastet sein. Das heißt: Zwar wird nichts „gesehen“, dennoch sind Präventivmaßnahmen bei nachgewiesener Exposition erforderlich. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die technischen Ausrüstungen kontinuierlich verbessert. Sind Krankheiten aufgrund von Quarzfeinstaub nicht ohnehin ein rückläufiges Phänomen? Tatsächlich geht die Zahl der Silikosefälle zurück. So wurden 2022 nicht mehr als 295 Berufskrankheiten (BK) für Silikose anerkannt. Im Jahr zuvor waren es 424 und davor 405 Betroffene. Eine Silikose entwickelt sich zumeist erst nach einer jahrelang andauernden Exposition. Wir sprechen hier von einer Latenzzeit zwischen zehn und 30 Jahren. Die Sensibilisierung der Unternehmen, die verbesserte Prävention und natürlich auch die Entwicklung von effizienteren Staubkapselungs- und -unterdrückungssystemen tragen Früchte. Mit Blick auf die angesprochene Latenzzeit werden wir aber erst in den nächsten Jahren sehen, wie die Staubprävention der vergangenen Jahre zu bewerten ist. Effiziente Staubunterdrückung gehört heute zur technischen Grundausstattung der meisten Gesteinsbetriebe. Was könnte darüber hinaus auf die Unternehmen zukommen? Bereits vor fünf Jahren wurde der Arbeitsplatzgrenzwert für den allgemeinen Staub in der A-Fraktion von 3 mg/m³ auf 1,25 mg/m³ abgesenkt. Seitdem müssen also deutlich mehr Unternehmen das Thema Staub am Arbeitsplatz aktiv angehen und bei Überschreitung des Grenzwertes Abhilfe schaffen. GESTEINS Perspektiven 3 | 2024
ZUR SACHE 7 „Einzige Selbstverpflichtung der Industrie, die anerkanntermaßen funktioniert“ Unser Planet besteht zu 12 % aus Quarz. Weil sich mineralischer Staub bei Gewinnung und Aufbereitung nicht vermeiden lässt, ist Quarzfeinstaubprävention umso wichtiger. Das ist kein Umweltschutzproblem, sondern vielmehr eine Frage von Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. Deswegen beteiligt sich MIRO am „Sozialen Dialog Quarzfeinstaub“ und ist Ansprechpartner der deutschen Gesteinsindustrie. Konkret ist der stellv. Hauptgeschäftsführer und Sprecher der MIRO-Geschäftsführung, Walter Nelles, kompetenter Ansprechpartner für Themen wie Arbeitssicherheit im Allgemeinen und die Quarz-Themen im Besonderen. GP bat ihn in Kassel um ein Interview. Hierzu ist es hilfreich, sich am sogenannten STOP-Prinzip zu orientieren. S steht für Substitution: man überprüft die Möglichkeit, ob staubintensive Prozesse substituiert werden können. T steht für Technik und meint technische Maßnahmen, um Staubentstehung und -ausbreitung zu minimieren oder in Gänze zu unterdrücken. Gegebenenfalls kommen auch organisatorische Maßnahmen (O) infrage. Erst zuletzt darf der Arbeitgeber persönliche Schutzmaßnahmen (P) anordnen, wie das Tragen von Staubschutzmasken etc. Wo sehen Sie Hauptansatzpunkte für technische Problemlösungen und Nachrüstungen? Lösungsmöglichkeiten sind vielfältig vorhanden und es gibt bestimmt für jede Situation geeignetes Equipment. Dabei sollte aber der staubende Prozess genau analysiert werden. Generell gilt, dass die Erstausrüstung von Maschinen und Anlagen mit Staubminimierungsmaßnahmen die beste Lösung ist. Nachrüstungen sind oftmals nur die Zweitbeste. Bspw. ist bei Staubminimierung durch Wasserbedüsung auf die verwendeten Düsen und insbesondere auf das Verhältnis der Wassertröpfchen- zur Staubpartikelgröße zu achten. Hier kann allerhand falsch gemacht werden und oft gilt: „Viel hilft nicht viel“. Qualität und Quantität müssen richtig austariert werden. Welchen Einfluss kann MIRO geltend machen oder in die Waagschale werfen? MIRO hat sich zur Aufgabe gemacht, die Mitgliedsunternehmen über die Staubsituation und die entsprechenden gesetzlichen Regelungen sowie die Möglichkeiten zur Minimierung zu in- formieren. Natürlich vertreten wir die Interessen der Branche gegenüber Behörden und anderen Organisationen wie beispielsweise der BG RCI, mit der wir sehr gut zusammenarbeiten. Wir klären weiterhin im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit auf und pochen außerdem bei den Ausrüstern unserer Industrie auf passgenaue Lösungsmöglichkeiten. Bei Quarzfeinstaub ist uns aber besonders wichtig zu erwähnen, dass wir hiermit einen Themenkomplex der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz fokussieren und kein Umweltschutzproblem. Wir haben überall auf der Welt eine natürliche Hintergrundbelastung mit Quarzfeinstaubpartikeln in der Luft, denn schließlich besteht unsere Erde zu 12 % aus Quarz. Wie wahrscheinlich ist eine Verschärfung der Grenzwerte – ist eine Prognose für die Zukunft möglich? Tatsächlich steht heute schon eine Verschärfung des Grenzwertes am Arbeitsplatz in der Diskussion. So möchten Vertreter im Europaparlament den derzeitigen Grenzwert von 0,1 mg/m³ NACHWEIS ERBRINGEN: MIRO hat entsprechende Zertifikate für die Unternehmen ausgearbeitet. IM GESPRÄCH mit Walter Nelles in Kassel zum Thema Quarzfeinstaub. Foto: MIRO auf 0,05 mg/m³ reduzieren. Bislang liegen aber keine neuen wissenschaftlichen oder medizinischen Erkenntnisse vor, die eine derartige Absenkung des Grenzwertes rechtfertigen. Das sollte u. E. aber unbedingt Voraussetzung sein. Diesbezügliche Studien und Forschungsarbeiten der europäischen Quarzindustrie wurden in Auftrag gegeben, sie sind aber noch nicht abgeschlossen. Welchen Einfluss können die Umfrageergebnisse der jetzigen Nepsi- Datenerhebung haben? Wichtig ist, dass nicht nur die Gesteinsindustrie über eine Teilnahme am Nepsi- Reporting nachweist, dass sich in den Betrieben „gekümmert“ wird und die Gefahren von Quarzfeinstaubexpositionen bekannt sind. Die Steigerung der Sensibilität in den Unternehmen ist m. E. der Schlüssel zu weiteren Verbesserungen an den Arbeitsplätzen. Der Soziale Dialog Quarzfeinstaub ist übrigens die einzige Selbstverpflichtung der Industrie, die anerkanntermaßen funktioniert – und das schon seit 18 Jahren! Wir sind sehr froh, dass die Europäische Kommission diesen Umstand respektiert, den sozialen Dialog Quarzfeinstaub weiter unterstützt und ihn als „Blaupause“ für künftige Sozialdialoge anführt. Eine hohe Beteiligung ist Garant für diesen Erfolg.(bwi) www.bv-miro.org 3 | 2024 GESTEINS Perspektiven
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