62 TREFFPUNKT Wie gestaltet sich der Weg und wo führt er hin? Zu einem Gipfeltreffen der besonderen Art, passenderweise Baustoff-Gipfel genannt, lud der Industrieverband Steine und Erden Baden-Württemberg, ISTE, ganztägig am 9. Dezember 2020 ein. Nachdem klar war, dass die beliebte Winterarbeitstagung 2021 nicht stattfinden wird, bot sich bei dieser Online-Zusammenkunft eine Ad-hoc-Möglichkeit für Analysen, Prognosen und Diskussionen. Wo steht die Roh- und die Baustoffindustrie wirtschaftlich im Augenblick? Wie sind ihre Aussichten? Wie wirkt sich Corona auf die Branche aus? Diesen Fragen gingen Fachleute aus Unternehmen, Politik und Wissenschaft beim Baustoff-Gipfel nach. Im Nebel der Zukunft ist es freilich nicht leicht, einen Weg zu erkennen, dennoch helfen Erwartungen anhand gesetzter Basiszahlen bei der Orientierung. Festzustellen ist rückblickend, dass die mineralische Roh- und Baustoffindustrie die Corona-Phase 2020 gut gemeistert hat und eine Anerkennung der Systemrelevanz dieser Branche überfällig wäre. Sie hat sich im Gegensatz zu vielen anderen als wirtschaftlicher Stabilitätsanker bewährt. Bauprojekte wurden weiter umgesetzt, zum Teil vorgezogen, und Arbeitsplätze gesichert. Gleichzeitig ist jedoch nicht auszuschließen, dass sich 2021 ff. ungünstige Langzeitfolgen aus Lockdowns, Vertrauensverlusten oder Mittelknappheiten negativ auch am Bau bemerkbar machen – was dann wiederum auf die Nachfrage wirkt. Dies aus verschiedenen Perspektiven auszuloten, hatten sich die Referenten des Web- Gipfeltreffens vorgenommen. Kein Wita-Ersatz, aber ein wichtiges Angebot Als souveräner und sachkundiger Moderator führte Prof. Christoph Müller (Uni. St. Gallen/HSG) durch die Veranstaltung und vermittelte aufgrund seiner Tätigkeit in der Schweiz eine gewisse Außensicht. Freundlich flankiert und kommentiert wurde außerdem über den Tag hinweg durch Heinz Sprenger, stellv. ISTE-HGF, der als Fragensammler im Chat die Diskussion zwischen Teilnehmern und Referenten steuerte. Mehr als 70 Teilnehmer hatten sich zur Webkonferenz angemeldet, darunter auch die baden-württembergische Finanzministerin Edith Sitzmann, MdL (Grüne). „Unsere Branche hat sich als sehr resistent erwiesen“, stellte ISTE- Präsident Peter Röhm zufrieden fest. In der Krise habe die Rohstoffindustrie ihre Stärken ausspielen können: regionale Rohstoffgewinnung und kurze Lieferwege sowie der stabile Bedarf unterstrichen die Systemrelevanz. Röhm wies gleichzeitig darauf hin, dass sich die in der Corona-Situation gesammelten Erfahrungen mittel- und langfristig auf die Branche auswirken. Ein Zurück zu früher werde es nicht geben. Deshalb sei es weiterhin besonders wichtig, zukunftssichere, moderne Technik einzusetzen: „Digitalisierung und Nachhaltigkeit schließen einander nicht aus, sondern sind nur in Verbindung miteinander zukunftsfähig.“ Verhalten optimistisch mit Blick auf die Entwicklung der Baustoffnachfrage äußerte sich Christian Engelke, Geschäftsführer Wirtschaft beim Bundesverband Baustoffe Steine und Erden, bbs: „Wir werden das gut überstehen, wenngleich mit leichten Bremsspuren in den Jahren 2021 und 2022.“ Im Wohnungsbau dürfte eine stabile Nachfrage zu erwarten sein, auch im öffentlichen Bau spricht vieles für Kontinuität. Im Gewerbebau dagegen wird es kriseln. Zusammengefasst: Während das Jahr 2020 real eine Stagnation mit sich brachte, wird für 2021 ein leicht negativer Trend prognostiziert. Engelke forderte zudem, dass insbesondere Erweiterungen, Neuaufschlüsse und Verfüllungen nicht an Einsprüchen und Partikularinteressen scheitern dürften. Finanzministerin Edith Sitzmann verwies darauf, dass das Land der größte Bauherr im Südwesten sei. Allein in dieser Legislaturperiode würden rund 4,4 Mrd. Euro in Baumaßnahmen investiert. Ihr Ministerium sei für den landeseigenen Gebäudebestand zuständig, das Verkehrsministerium für Straßen und Brücken. Die Ministerin hält nichts davon, Baustoffe gegeneinander auszuspielen: „Mineralische Baustoffe und Holz schließen sich keineswegs aus.“ Sie unterstrich, dass auch weiterhin für Baumaßnahmen genügend Mittel sowohl aufseiten des Landes als auch der Kommunen zur Verfügung stünden. Über die Auswirkungen der Corona- Krise auf die Wohnungsmärkte in Baden-Württemberg sprach Matthias Günther vom Pestel-Institut. Er rechnet durchaus mit negativen Folgen für die Wohnungsmärkte. Wenn die Förderungen ausliefen, dürfte es zu Verwerfungen kommen, weil mit niedrigeren Wohnkosten nicht zu rechnen sei. Als Lösung sieht er unter anderem Umnutzungen von Büroflächen, wo sich mit schon 1 % des Bestandes etwa 50.000 Wohnungen generieren ließen. Dr. Albert Dürr, geschäftsführender Gesellschafter Wolff & Müller, berichtete über die praktischen Folgen für sein Unternehmen und betonte: „Corona hat Transformationen beschleunigt.“ Dazu gehörten insbesondere die Digitalisierung sowie Nachhaltigkeitsbestrebungen. Dierk Mutschler, Projektierungsbüro Drees und Sommer, blickte weit in die Zukunft und sprach über Urban Mining als künftiger Rohstoffquelle für wiederverwendbare Baustoffe. Nun ist die Idee zwar toll, aber alles andere als neu. Meist scheitert sie an dem, was im Moment der Verkündung tatsächlich als mineralischer Abbruch anfällt. Wahrscheinlich ein Grund dafür, warum alle absoluten Wiederverwertungsideen kontinuierlich in die Zukunft projiziert werden. Sicher: Vieles könnte hochwertig separat zurückgewonnen werden, quasi durch modulare Bauweise auf dem Silbertablett für den Wiedereinsatz. Voraussetzung dafür wäre jedoch eine sortenreine Rückbaubarkeit. Die ist aber derzeit und absehbar durch frühere Bauweisen schlicht nicht gegeben. Hier wünschte man sich endlich mal ein Projekt, das sich ernsthaft mit dem Recyclingpotenzial von Wärmedämmverbundsystemen auseinandersetzt. >> GESTEINS Perspektiven 1 | 2021
TREFFPUNKT 63 „Wir sind Teil der Antwort“ DREI FRAGEN AN CHRISTIAN KNELL, Sprecher der Geschäftsführung Heidelberg- Cement Deutschland. Foto: HeidelbergCement GP: Mit 47 Gewinnungsstandorten, acht Zement-, über 200 Transportbetonwerken und noch einigen Spartenaktivitäten mehr in Deutschland verfügen Sie gleichsam über eine gute Verzahnung mit der gesamten Wertschöpfungskette Bau und immense F+E-Kapazitäten. Die Bewertung und aktive Reaktion auf treibende Megatrends wird aus Ihrer Perspektive zwangsläufig eine andere sein als die eines mittelständischen Gesteinsunternehmens. Was meinen Sie: Ist das Thema nur relevant für die „Großen“ oder sehen Sie Möglichkeiten der Einbindung von KMU? Christian Knell: Ich denke, dass sich kein Unternehmen – egal wie groß oder klein – den Megatrends Klimaschutz, Ressourcenschonung oder Digitalisierung auf Dauer verschließen kann. Das ist nur eine Frage der Zeit, bis diese Themen jeden erreichen werden. Wir sehen auch, dass gerade die kleineren Betriebe auf viele der Zukunftsherausforderungen sehr schnell und sehr flexibel reagieren können – andere brauchen dagegen länger. Wenn sie wie HeidelbergCement im DAX gelistet sind, dann können sie gar nicht anders, als proaktiv zu sein. Ich denke aber, dass wir in Deutschland sehr viel voneinander lernen können, denn auch wenn wir ein Konzern sind, verfügen wir aufgrund unserer Dezentralität doch noch über eine sehr stark mittelständisch geprägte Unternehmenskultur, die den Kunden in den Mittelpunkt stellt. Da unterscheiden wir uns in nichts von den KMU. Wir sollten alle gemeinsam Veränderungen als Chance begreifen. Ob klein oder groß – jeder ist gefordert, aktiv an der Gestaltung des Wandels teilzunehmen. Unternehmen der mineralischen Rohstoffindustrie leben permanent mit wachsenden Konflikten. Flächenkonkurrenzdruck, Gesetzgebung und wachsende Bürgerproteste erschweren Genehmigungsverfahren enorm. Wie schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass die Baustoffindustrie durch Lösungen bei Recarbonatisierung, schadstoffschluckenden Betonen und weiteren Innovationen eine Art positive Rück- kopplung verbuchen kann und damit am Anfang der Kette besser gelitten wird? Wie wird dieser Zusammenhang selbst für Desinteressierte greifbar? Das wird ein hartes Stück Arbeit, keine Frage! Ich denke, wir müssen als Baustoffindustrie insgesamt künftig selbstbewusster und mutiger auftreten. Wir sprechen zu wenig über das, was wir tun, und das müssen wir unbedingt ändern. Wir werden nur dann Akzeptanz erhalten, wenn wir auf der einen Seite unsere Hausaufgaben machen und auf der anderen Seite aber auch offen darüber kommunizieren. Die Rolle klassischer Industrieunternehmen in der Zange zwischen Gesellschaft – also breiter Öffentlichkeit – und Politik ist wenig komfortabel. Selbst wenn Politiker die Bedeutung der Tätigkeit erkennen, ist ein Zurückzucken bei gesellschaftlicher Ablehnung zum Standardmuster geworden. Welche Chancen sehen Sie, dieses Muster zu verändern? Auch hier lautet meine Antwort: Mehr Selbstbewusstsein und mehr Kommunikation. Mit dem Beharren auf dem Bestehenden und dem weiter so wird uns keine Transformation gelingen. Alle gemeinsam brauchen wir mehr Zuversicht, Agilität und den Willen, unsere Industrie nach vorne zu bringen. Unsere Unternehmen haben in den letzten Jahren so viele neue und gute Ansätze entwickelt, dass wir wirklich sagen können: Wir sind nicht das Problem, sondern Teil der Antwort. (gsz) Betontankstellen und Betonautomaten zur: - Herstellung von Frischbeton - Herstellung von Beton-System-Steinen - Veredelung von Recyclingstoffen Wichtig zu wissen: - Vollautomatische Bedienung - Recyclingmaterialveredelung bis 32mm Korngröße - Reinigung ohne Wasser möglich - Entwicklung und Produktion in Deutschland Massfeller Beton2Go GmbH | Sonnenberg 8 | D-56249 Herschbach www.beton2go.com 1 | 2021 GESTEINS Perspektiven
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