20 Schwerpunkt: Bitumenexposition – Teil 1 Abb. 5: Erste Ergebnisse aus dem Einbau von konventionellem (herk.) und temperaturabgesenktem (NTA) Walzasphalt mit Fertigern, die mit einer Absaugvorrichtung ausgerüstet waren [20]. Fertigerabsaugung beim Fertigerfahrer zu keiner nennenswerten Reduzierung der Bitumenemissionen zu führen, gleichwohl sind deutliche Effekte aus dem Einsatz der Absaugung erkennbar, die im Fall des Einbaus von temperaturabgesenktem Asphalt stärker ausfallen. Ohne Angaben zur Einbaubreite sind die die Bohlenbediener betreffenden Messwerte hinsichtlich der Wirkung der zentralen Absaugung nicht einschätzbar. Bei aktiver Absaugung sind die Emissionen im Bereich der Fertigerachse erwartungsgemäß geringer. Aus dem Vergleich der unter „pers.“ und „stat.“ ausgewiesenen Messwerte lassen sich keine Rückschlüsse auf eine Beeinflussung der Höhe der Emissionen an den Bohlenbedienständen durch die zentrale Absaugung ziehen. Es ist nicht zu erkennen, dass der Einbau von temperaturabgesenktem Asphalt am Bohlenbedienstand in jedem Fall zu geringeren Emissionen führt als beim herkömmlichen Einbau. Die bei den Walzenfahrern ermittelten Emissionen bewegen sich verfahrensunabhängig ausnahmslos auf einem niedrigen Niveau. Kluger umreißt in [14] das in den kommenden fünf bis zehn Jahren anzustrebende Ziel: Minimierung/Verbesserung der Expositionssituation und schnellstmögliche Einhaltung der Grenzwerte. Von einer Klärung der Expositionsursachen anhand gezielterer Analysen ist keine Rede. Darauf zu bauen, dass sich allein mit dem Einsatz von Fertigern mit Absaugvorrichtungen und dem Einbau temperaturreduzierter Asphalte die Bitumenemissionen auf das Niveau des neuen Arbeitsplatzgrenzwertes senken lassen, ist reines Wunschdenken. Es handelt sich zweifellos um zwei Maßnahmen mit erheblichem Potenzial, aber sie sind bei Weitem kein Allheilmittel. Den Protagonisten einseitiger Vorschläge sei gesagt: „Wer einen Engel sucht und nur auf die Flügel schaut, könnte eine Gans nach Hause bringen.” (Georg Christoph Lichtenberg) Am 06.09.2019 wurden von der BG Bau Konzentrationen an Dämpfen und Aerosolen aus Bitumen in der Atemluft der Beschäftigten beim Einbau von Walzasphalt auf einem Abschnitt einer Landstraße bestimmt [27]. Da dieser Bericht urheberrechtlich geschützt ist, ist ohne die Zustimmung des Unfallversicherungsträgers eine öffent NACHWEIS DER QUELLEN [1] ARS 13/12: Allgemeines Rundschreiben Straßenbau Nr. 13/2012 – Fortschreibung der Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten (ZTV-ING), Ausg. 2012-03, Beuth Verlag, Berlin 2012, 5 S. [2] Beginn, U.: E-Mail-Korrespondenz zwischen Hr. Prof. Dr. rer. nat. habil. Uwe Beginn (Universität Osnabrück, Institut für Chemie Neuer Materialien, Organische Material chemie) und dem Autor zu Fragen der chemischen Thermo dynamik; 30.06.2020 [3] BG Bau: Baustellen mit Asphalteinbau mit abgesenkten Temperaturen. Stand 26.01.2018; https://www. bgbau.de/fileadmin/user_upload/NTABaustellenWebseite20180102.pdf, 22.06.2020, 13:16 Uhr [4] BG Bau: Expositionsbeschreibung – Einbau von Walzasphalt im Straßenbau. Ausg. April 2018, 13 S.; https://www.bgbau.de/themen/sicherheit-und-gesundheit/gefahrstoffe/gisbau/expositionsbeschreibungen/; 08.06.2020, 11:29 Uhr [5] BG Bau: Expositionsbeschreibung – Einbau von Walzasphalt im Straßenbau. Ausg. September 2019, Entwurf, 14 S. [6] Blome, H.; Reinert, D. et al.: Messung von Gefahrstoffen – BGIA-Arbeitsmappe. Expositionsermittlung bei chemischen und biologischen Einwirkungen, Bd. 1, Bitumen (Dämpfe und Aerosole, Mineralölstandard) Kennzahl 6305/1. Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA), Erich Schmidt Verlag, Berlin 2020 [7] Blome, H.; Reinert, D. et al.: Messung von Gefahrstoffen – BGIA-Arbeitsmappe. Expositionsermittlung bei chemischen und biologischen Einwirkungen, Bd. 1, Bitumen (Dämpfe und Aerosole, Bitumenkondensat- Standard) Kennzahl 6305/2. Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA), Erich Schmidt Verlag, Berlin 2020 [8] Bokies, M.: Änderung der MAK-Grenzwerte beim Asphalteinbau. Mit welchen Konsequenzen ist zu rechnen? 6. Trierer Straßenbautag, 03.03.2020, ppt-Vortrag, 23 F. [9] GefStoffV: Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoffverordnung) v. 26.11.2010 (BGBl. I S. 1643), zuletzt geändert durch Art. 148 d. G. v. 29.03.2017 (BGBl. I S. 626) [10] GK Bitumen: Entwurf des Protokolls zur Sitzung des Gesprächskreises Bitumen am 16. Juli 2019, IG BAU, Frankfurt am Main, 82 S. [11] GK Bitumen: Temperaturabgesenkte Asphalte. September 2009, 36 S.; https://www.bgbau.de/fileadmin/user_upload/BitumenBroschuere.pdf, 21.06.2020, 12:20 Uhr [12] Hahn, J.-U.; Schon, Ch.; Hebisch, R.; Csomor, A. et al.: Leistungsfähigkeit von Messverfahren zur Überprüfung der Einhaltung von Akzeptanz- und Toleranzkonzentrationen für krebserzeugende Arbeitsstoffe, dargestellt am Beispiel der Metalle. Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft, 73 (2013) 6, S. 273–280 [13] H VAE: Leitfaden zur Herstellung von Verkehrsflächenbefestigungen aus Asphalt – Hinweise zur Sicherstellung einer anforderungsgerechten Ebenheit. Ausg. 2019, FGSV Verlag, Köln, FGSV 735, 86 S. [14] Kluger, N.: Neuer Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) für Bitumen. Umsetzungs- und Handlungsoptionen. Sondersitzung Gesprächskreis Bitumen am 16.07.2019, IG Bau, Frankfurt am Main [15] Kluger, N.; Musanke, U.: Arbeitsplatzgrenzwert für Bitumen festgelegt. Ermittlung und Bewertung der Exposition bei Heißverarbeitung sowie Maßnahmen zur Expositionsreduzierung. BauPortal, Fachmagazin der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, 132 (2020) 1, S. 12–15 [16] Korthüm, G.; Lachmann, H.: Einführung in die chemische Thermodynamik, Phänomenologie und statistische Behandlung. 7. ergänzte und neu bearb. Aufl., Verlag Chemie, Vandenhoeck und Ruprecht, Weinheim, Deerfield Beach, Florida, Basel, Göttingen 1981, 496 S. [17] M TA: Merkblatt für Temperaturabsenkung von Asphalt. Ausg. 2011. FGSV Verlag, Köln, FGSV 766, 16 S. [18] Musanke, U.; Emmel, R.; Rühl, R. et al.: Expositionsbeschreibungen für Dämpfe und Aerosole aus Bitumen. 7|2020
Schwerpunkt: Bitumenexposition – Teil 1 21 liche Wiedergabe der Messergebnisse nicht möglich. Zur Erneuerung der Asphaltdeckschicht wurde mit einem Fertiger, der mit einer Absaugvorrichtung ausgerüstet war, bei trockenem, sonnigem Wetter ein Asphaltbeton AC 11 D N, 50/70 eingebaut. Über die Einbaudicke und -breite werden keine Angaben gemacht. Eine Abbildung lässt darauf schließen, dass die Einbaubreite dem RQ 7,5 entsprach (5,50 m). In Anbetracht des „diskontinuierlichen bis regelmäßigen Einbaus“ mit mittleren Einbaugeschwindigkeiten von 2,5 und 2,0 m/min und der um 40 °C schwankenden Einbautemperaturen in den beiden untersuchten Bauabschnitten wird die Einbausituation als „üblich“ bzw. als „Normalzustand“ bezeichnet, wobei der Leser vergeblich nach einer fachlichen Erklärung sucht, was darunter zu verstehen ist. In den zwei aufeinanderfolgenden Einbauabschnitten wurde der Fertiger mit und ohne Absaugung betrieben. Bedingt durch einen gravierenden Richtungswechsel der Straße um etwa 65° und in der Folge um weitere geschätzte 15° änderten sich bei gleichbleibender Windrichtung und einer Windgeschwindigkeit von 4 m/s auf zu beiden Seiten offenem Gelände die Expositionen für den Fertigerfahrer und den beobachteten Bohlenbediener, ohne darauf näher einzugehen. So entsteht im Fall des Bohlenbedieners der Eindruck, die um rd. 2,7 mg/m³ geringere Exposition im ersten Untersuchungsabschnitt wäre allein auf die Fertigerabsaugvorrichtung zurückzuführen. Auch dass im ersten Abschnitt Temperaturen des Asphaltmischgutes zwischen 151 und 178 °C (8 Messwerte, MED = 162 °C) und im zweiten Abschnitt zwischen 138 und 178 °C (15 Messwerte, MED = 156 °C) gemessen wurden, schlägt sich in der Interpretation der Messergebnisse ebenfalls nicht nieder, obwohl in der Expositionsbeschreibung [4] explizit darauf hingewiesen wird, dass die Umgebungsbedingungen und die Windverhältnisse einen Einfluss auf den Messwert haben. Man gibt sich vielmehr mit der Feststellung zufrieden, dass alle Messwerte unterhalb von 10 mg/m³ liegen. Bezüglich der Exposition des Fertigerfahrers ist ein Vergleich zwischen den beiden Betriebszuständen nicht möglich, weil ein Messwert „vom autorisierten Mitarbeiter als unplausibel zurückgezogen“ wurde. Es wäre wünschenswert, wenn ein derartiger Wert auch ausgewiesen und erläutert werden würde, warum er zu verwerfen ist. Wenn es auch das Ziel war, bis Ende September 2019 möglichst viele Messungen am Arbeitsplatz durchzuführen, um so eine große Zahl neuer, aktueller Messergebnisse zusammentragen zu können [35], so bleibt festzuhalten, dass auch dieser Bericht dem alten Muster einer überwiegend pauschalen Bestimmung der Bitumenexpositionen folgt. • AUTOR Dr.-Ing. Ronald Utterodt ronald.utterodt@t-online.de Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft, Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung u. Kommission Reinhaltung der Luft, VDI Fachmedien, Düsseldorf, 70 (2010) 7/8, S. 291–295 [19] Musanke, U.: Expositionsdaten Bitumen im Verhältnis zu einem Grenzwert von 1 mg/m³. Sondersitzung Gesprächskreis Bitumen am 16.07.2019, IG Bau, Frankfurt am Main [20] Musanke, U.: Expositionsdaten Bitumen. Abgesaugte Walzasphalt-Fertiger. Gesprächskreis Bitumen, 14./15.10.2019, ppt-Präsentation, 2 F. [21] Nies, E.: Dämpfe und Aerosole aus Bitumen bei der Heißverarbeitung. Auf gewundenen Straßen zum verbindlichen Arbeitsplatzgrenzwert. ASU Zeitschrift für medizinische Prävention, Gentner Verlag, Stuttgart, (2020) 2; https://www.asu-arbeitsmedizin.com/ heftarchiv/ausgabe-02-2020, 15.06.2020, 10:43 Uhr [22] Rühl, R.; Musanke, U.; Kolmsee, K. et al.: Vapours and Aerosols of Bitumen: Exposure Data obtained by the German Bitumen Forum. Ann. Occup. Hyg., Oxford University Press, 50 (2006) 5, pp. 459-468 [23] Rühl, R.; Citrich, G.; Reifig, J.: Helfen Absaugsysteme an Straßenfertigern dem Arbeits- und Umweltschutz? www.baumaschine.de/Straßenbau, Bitumen – BauPortal 5/2014, S. 36 f. [24] Rühl, R.; von Devivere, M.: Verringerung der Belastungen beim Asphalteinbau. pave-news, 25.02.2015; https://pave-news.de/niedrigtemperaturasphaltfuer-mehr-nachhaltigkeit-im-strassenbau/; 20.06.2020, 18:31 Uhr [25] Rühl, R.: Es sind Maßnahmen erforderlich! Der neue Arbeitsplatzgrenzwert erfordert kurz- und mittelfristig Änderungen im Straßenbau. Asphalt & Bitumen, 03/2020, S. 36–39 [26] Sachs, L.; Hedderich, J.: Angewandte Statistik. Methodensammlung mit R. 12. Aufl., Springer Verlag, Berlin, Heidelberg 2006, 702 S. [27] Schulz, H.; Emmel, Ch.: Bericht über die Messung von Gefahrstoffen in der Luft in Arbeitsbereichen nach § 19 SGB VII. Vorgangsnummer: 119E-G-1. BG Bau Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, 07.10.2019, 36 S. [28] Shell: Sampling and analysis of personal exposure samples. Report OGMB 2002–03. Study carried out by Shell Global Solutions International BV for Arbit, Germany; zitiert in [22] [29] Taylor, R.; Hanumanthgari, R.; D’Melo, D. et al.: Shell Bitumen FreshAir. Technischer Leitfaden, April 2020, 28 S.; https://www.shell.de/geschaefts-und-privatkunden/ shell-bitumen.html [30] TRGS 420: Technische Regel für Gefahrstoffe – Verfahrens- und stoffspezifische Kriterien (VSK) für die Ermittlung und Beurteilung der inhalativen Exposition. Ausg. Juni 2014, GMBl. (2014) Nr. 48 v. 11.09.2014, S. 997–1002 [31] TRGS 900: Technische Regeln für Gefahrstoffe – Arbeitsplatzgrenzwerte. BArBl Heft 1/2006, Fassung v. 12.5.2020, BAuA Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Ausschuss für Gefahrstoffe, 69 S. [32] TRGS 910: Technische Regel für Gefahrstoffe – Risikobezogenes Maßnahmenkonzept für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen. Ausg. Februar 2014, GMBl. (2014) Nr. 12 v. 02.04.2014, S. 258–270, zuletzt geändert und ergänzt: GMBl. 2019 Nr. 7 v. 29.03.2019, S. 120 [33] Wagener, T.: Telefongespräch mit Herrn Thomas Wagener, Einbaumeister, Strabag AG, Direktion Mitte- West, Bereich Nordhessen, Gruppe Sonderbau, 09.06.2020 [34] Wittenberger, W.: Chemische Laboratoriumstechnik. Ein Hilfsbuch für Laboranten und Fachschüler. 7. Aufl., Springer-Verlag, Wien, New York 1973, 314 S. [35] Ziegenberg, M.: Protokollentwurf zur Ad-hoc-Sitzung GK Bitumen, Maschinentechnik und MAK-Werte, 14.08.2019, DAV, Bonn, 3 S. [36] ZTV Asphalt-StB 07: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Bau von Verkehrsflächenbefestigungen aus Asphalt – ZTV Asphalt- StB 07/13, Ausg. 2007, Fassung 2013, FGSV Verlag Köln, FGSV 799/R1, 50 S. 7|2020
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