6 Aktuell Bauingenieurinnen Jede zehnte Kraft ist weiblich Der Bau muss weiblicher werden: In keinem anderen Wirtschaftszweig sind so wenig Frauen beschäftigt wie am Bau. Auf 10 % kommt der Frauenanteil im Bauhauptgewerbe, mit dem Ausbaugewerbe sind es durchschnittlich 13 %. Doch es tut sich was: 28 % der Bauingenieure in Bauunternehmen sind inzwischen weiblich. Allerdings verdienen sie deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen. mmer noch entscheiden sich zu wenige Frauen für eine Beschäfti- in der Baubranche. Das muss sich ändern. Denn auf diese „Igung bestens ausgebildeten Mitarbeiterinnen können und wollen wir nicht mehr verzichten“, sagt Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. Dabei machte der Verbandschef deutlich, was die Branche leisten kann: „Wir bieten abwechslungsreiche Jobs für offene, innovationsfreudige und klimaaffine, junge Leute. Mit einem enormen Potenzial für die Zukunft, insbesondere hinsichtlich der Herausforderungen in Bezug auf Der Frauenanteil beim Bauingenieurstudium hat sich in den letzten 20 Jahren von 20 auf 30 % erhöht. (Quelle: DAV) den zusätzlichen Bedarf an Wohnraum, der Einhaltung der Klimaziele sowie der dringend notwendigen Sanierung der teilweise maroden Infrastruktur. Genau das Richtige, nicht nur für Männer, sondern eben auch für junge Frauen.“ Dabei gehe es neben managementorientierten und ingenieurtechnischen Berufen auch ganz klar um Tätigkeiten im gewerblichen Bereich. Müller: „Wir zeigen, dass der Bau viele Möglichkeiten bietet, einen spannenden Beruf auszuüben – von der Baugeräteführerin über Trockenbaumonteurin bis zur Bauleiterin.“ Am Frauenanteil im Baugewerbe hat sich seit zwanzig Jahren wenig verändert, das zeigt die aktuelle Publikation „Frauen am Bau“, die der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie herausgebracht hat. Danach liegt die Frauenquote bei den Beschäftigten mit bauhauptgewerblichen Berufen bei 1,6 %, bei ausbaugewerblichen Berufen bei 2,3 %. Zwar sind die Werte im Gegensatz zur Statistik von 2021 um 0,1 % gestiegen, aber das ist insgesamt weniger als in allen anderen Branchen. Gewerbliche Berufe sind danach für Frauen offenbar uninteressant – vereinzelte Zunahmen des Frauenanteils finden sich nur in Handwerksberufen, beispielsweise bei Malern und Lackierern oder Dachdeckern. Mehr weibliche Auszubildende 28 % der Bauingenieure in Bauunternehmen sind inzwischen weiblich. (Quelle: DAV/hin) Auch in der nächsten Zukunft wird sich kaum etwas am Frauenanteil in der Bauwirtschaft ändern, denn die niedrige Frauenquote betrifft auch die Ausbildung: Denn bereits 2021 betraf der Anteil der Frauen in der bauhauptgewerblichen Ausbildung lediglich 2,1 %, ein Anstieg von 0,3 % seit 2018, im Ausbaugewerbe bei 4,2 %. Der Frauenanteil beim gewerblich-dualen Studium lag bei gerade einmal 8 %. Anders sieht es bei den nicht gewerblichen Bauberufen aus: Der Anteil der weiblichen Auszubildenden bei den technischen Berufen (Bauzeichner) lag schon 2021 bei 34 %, im kaufmännischen Bereich sogar bei 60 %. 3|2022
Aktuell 7 Frauen am Bau Gräfin Kesselstatt, kann der Bau auf weibliche Fachkräfte verzichten? Absolut nicht! Seit Jahren klagt die Bauwirtschaft über einen Mangel an qualifiziertem Personal. Dabei fehlt es vor allem an Fachund Führungskräften. Es gilt also, das große Potenzial an gut ausgebildeten Frauen zu nutzen und sie für eine Ausbildung und Beschäftigung in dieser so spannenden Branche zu begeistern. Doch nicht nur angesichts des Fachkräftemangels ist die Einstellung von mehr Frauen für die Bauwirtschaft unabdingbar. Frauen sind leistungsstark, gute Teamplayer und bringen zudem einen frischen Wind und neue Ideen in diese leider noch von Männern dominierte Branche. Ein Mehrwert, den es unbedingt zu nutzen gilt. Gerade einmal 1,6 % der gewerblichen Mitarbeiter*innen im Bauhauptgewerbe sind Frauen. Warum ist das so? Im Bereich der gewerblichen Berufe haben Bauunternehmen immer noch mit Vorurteilen zu kämpfen, welche auf potenzielle weibliche Führungskräfte und Azubinen häufig abschreckend wirken. Die Arbeiten im gewerblichen Bereich werden noch immer mit schwerer körperlicher Arbeit gleichgesetzt und von einem antiquierten Rollenbild der Geschlechter begleitet. Dabei sind viele Tätigkeiten der gewerblichen Berufe heute hochtechnisiert und für beide Geschlechter attraktiv. Diese Vorurteile erstrecken sich leider auch bis in die Berufsberatung. Was glauben Sie, was muss sich ändern, um den Frauenanteil am Bau zu erhöhen? Es gilt vor allem, mit den oben genannten Vorurteilen aufzuräumen. Denn die vielfältigen Tätigkeitsfelder und Karrieremöglichkeiten für Frauen am Bau können sich sehen lassen. Um auch von Frauen als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden, gilt es, die Potenziale dieses Berufsbildes aufzuzeigen. Gezielte Werbekampagnen, aber auch das persönliche Gespräch – beispielsweise im Rahmen von Schulbesuchen, Schnuppertagen oder Jobmessen – spielen dabei eine wichtige Rolle. Ich bin überzeugt davon, dass wir so Schritt für Schritt mit alten Klischees aufräumen können, um die Begeisterung für den Bau bei Frauen zu wecken. Gehen Sie in Ihrem Unternehmen konkrete Schritte, um den Frauenanteil zu erhöhen? In unserer Unternehmensgruppe legen wir großen Wert auf Vielfalt und Gleichberechtigung. Frauen besetzten bei uns schon lange leitende Positionen in diversen Unternehmensbereichen und nehmen dabei eine wichtige Vorbildfunktion ein. Mit Maßnahmen wie dem Girls-Day, an dem wir gezielt junge Frauen in unser Unternehmen einladen, sowie durch Kooperationen mit Schulen und Universitäten wollen wir die bestehenden Vorurteile gegenüber der Baubranche abbauen und Frauen die Potenziale eines Bauberufes aufzeigen. Auch bieten wir interessierten Frauen wie Männern Schnuppertage und Trainee-Programme an. Kommt „Frau“ nur zum Bau, wenn sie einen familiären Bezug zu dieser Branche hat? In der Vergangenheit war es oftmals üblich, das Berufsbild anzunehmen, welches auch Susanne Gräfin Kesselstatt, geschäftsführende Gesellschafterin, J. Friedrich Storz Verkehrswegebau (Quelle: Storz) schon die Eltern oder Großeltern ausgeübt hatten – dies galt nicht nur für den Bauberuf, sondern auch für viele andere Berufsfelder. Heute spielt der familiäre Bezug keine so große Rolle bei der Berufswahl, sondern Motivation, Leidenschaft und Talent – sowohl bei Frauen als auch bei Männern. Was würden Sie jungen Frauen raten, die überlegen, einen Bauberuf zu ergreifen? Frauen können genauso gut einen Beruf am Bau erlernen wie Männer. Schließlich zählen Talent und Interesse und nicht das Geschlecht. Ich rate jungen Frauen, die an einem Bauberuf interessiert sind, sich nicht von antiquierten Vorurteilen und der bislang noch von Männern dominierten Branche abschrecken zu lassen. Ich lege ihnen nahe, die vielfältigen Tätigkeitsfelder, welche die Baubranche bietet, über Praktika oder Schnuppertage kennenzulernen, sich auszuprobieren und sich mit anderen auszutauschen. Gehaltslücke zwischen Frauen und Männern Problematisch ist, dass Frauen in leitenden Positionen am Bau weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Bei studierten Mitarbeitern in leitender Stellung liegt das Gehalt von Frauen bei 80 % des Gehalts der Männer. Diese Zahl macht Mut, denn noch vor einem Jahr lag dieser Wert bei 76 %. Das ist nur zum Teil damit zu erklären, dass die Männer bei diesem Vergleich im Schnitt ein höheres Dienstalter haben. Denn auch die Einstiegsgehälter von Frauen liegen deutlich unter denen von männlichen Bauingenieuren. Die Branche müsse „dafür sorgen, dass sich die Gehaltslücke zwischen Frauen und Männern schließt“, forderte deshalb bereits 2021 der Vizepräsident Wirtschaft des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, Tim Lorenz, die Unternehmen auf. Anteil am Bauingenieurstudium Der Frauenanteil beim Bauingenieurstudium hat sich in den letzten 20 Jahren von 20 auf 30 % erhöht. Allerdings stagniert der Wert derzeit, was allerdings insgesamt mit wenig steigenden Zahlen von Studierenden im Bereich Bauingenieurwesen zusammenhängen kann. Mittlerweile sind 28 % der Bauingenieure, welche überwiegend in Bauunternehmen tätig sind, weiblich, in der öffentlichen Verwaltung liegt der Anteil bei 46 %. „Wir freuen uns, dass sich so viele Frauen für den sehr abwechslungsreichen und spannenden Beruf des Bauingenieurs interessieren. Immerhin sind von den derzeit knapp 60.000 Studierenden des Fachs Bauingenieurwesen 18.000 weiblich“, sagte dazu Lorenz 2021. Frauen arbeiten laut Hauptverband insgesamt lieber in der Planung: Jeder vierte Beschäftigte in der Bauplanung und -überwachung ist eine Frau. • 3|2022
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