8 Aktuell Mobilität Wie viel Güterverkehr kann die Schiene? Wie viel Warenverkehr kann auf die Schiene umgelegt werden? Damit beschäftigte sich eine IW-Studie. (Quelle: Pixabay) Mitte Februar stellte der Vizepräsident der Verkehrsinitiative Pro Mobilität, Prof. Dr. Dirk Engelhardt, die Studie „Faktencheck Güterverkehr in Deutschland – Von der fehlenden Infrastruktur zum Verlagerungspotenzial“ in einer Online-Pressekonferenz vor. Die Studie wurde vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) unter Federführung von IW-Senior Economist Thomas Puls im Auftrag von Pro Mobilität erarbeitet. Ziel des Faktenchecks war es, das Verlagerungspotenzial der Schiene im Güterverkehr zu untersuchen. Nachdem jede Bundesregierung aufs Neue mehr Verlagerung auf die Schiene gefordert hat, galt es einmal festzustellen: Wie viel Güterverkehr kann die Schiene wirklich? Das IW stellte zunächst einmal fest, dass der Gütertransport unverzichtbares und unvermeidbares Fundament unseres Wohlstandes ist. Konsumenten nutzen immer stärker den Onlinehandel, was steigenden Güterverkehr nach sich zieht. Der bauliche Zustand und die Kapazität der Verkehrsinfrastruktur (Straße und Schiene) sind allerdings bereits den heutigen Anforderungen nicht gewachsen, und den zukünftigen noch viel weniger: Hier muss nicht nur massiv investiert werden, sondern es gilt ebenso, die Planungsdauer signifikant zu verkürzen und die Organisation der Baudurchführung zu optimieren. Das Institut erarbeitete heraus, dass die unterschiedlichen Verkehrsträger unterschiedliche Märkte bedienen. Demnach dominieren Eisenbahn und Binnenschiff den Massenguttransport über lange Strecken, während der Lkw im Baubereich, bei Lebensmitteln und beim Verteilerverkehr in der Fläche führend ist. Das IW kommt zu dem Schluss, dass das Verlagerungspotenzial stark begrenzt ist. Traditionelle Transportgüter der Schiene, wie Kohle und Mineralölerzeugnisse, werden an Bedeutung verlieren. Aufgrund der Struktur der beförderten Güter ist eine Verlagerung vom Lkw auf die Schiene mengenmäßig schlicht limitiert. Gerade der boomende Onlinehandel bedarf aufgrund der Kleinteiligkeit der Sendungen der Feinverteilung mit dem Lkw. „Die beiden Verkehrsträger dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern müssen miteinander verzahnt werden.“ Ebenfalls Teil der Studie war es auch, mögliches Verbesserungspotenzial auszuloten. Hier sieht das IW vor allem im kombinierten Verkehr Straße/Schiene eine Möglichkeit. Er ist seit Jahren das wichtigste Wachstumssegment im Schienengüterverkehr, und hier liegt auch das größte Verlagerungspotenzial für die Zukunft, das es zu heben gilt. Engelhardt erläutert dazu: „Ein solcher Faktencheck war lange überfällig. Jahrzehntelang betreibt die deutsche Politik Verkehrsverlagerung – mit stark überschaubarem Erfolg. Das hat Gründe, wie die Studie jetzt zeigt. Zum einen sind enorme finanzielle, juristische und organisatorische Anstrengungen erforderlich, um die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland zukunftsfit zu machen – dies gilt sowohl für die Straße als auch für die Schiene. Zum anderen dürfen die beiden Verkehrsträger nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern müssen miteinander verzahnt werden. Das gelingt am besten im Kombinierten Verkehr Straße/Schiene. Unabhängig davon ist zu konstatieren, dass alle Prognosen den Lkw auch im Jahre 2050 als den mengenmäßig wichtigsten Verkehrsträger erachten. Das zeigt mit Blick auf den Klimaschutz: Der Schlüssel zum klimaneutralen Güterverkehr liegt in der Dekarbonisierung der Energieversorgung des Lkw-Verkehrs.“ Thomas Puls vom Institut der Deutschen Wirtschaft Köln erläutert: „Eine qualitativ hochwertige und umfassende Abdeckung mit Güterverkehrsleistungen wird nur möglich sein, wenn die Stärken der einzelnen Verkehrsträger in einem Gesamtsystem kombiniert werden.“ Ein Gegeneinander von Straße, Schiene und Wasserstraße sei der sichere Weg zum Scheitern, denn keiner der Verkehrsträger sei auf absehbare Zeit in der Lage, die Transportaufgaben eines anderen zu übernehmen. Alle Verkehrsträger stünden derzeit vor großen Problemen. Lkw und Bahn hätten einen spürbaren Mangel an Fahrpersonal. Hinzu käme eine überlastete Infrastruktur. Insbesondere auf den Hauptkorridoren des Güterverkehrs in Deutschland seien die Kapazitäten voll ausgelastet und überfällige Sanierungen sorgten für deutliche Störungen im Warenfluss. „Deutschland ist das logistische Herz des europäischen Wirtschaftsraums“, so Puls weiter. „Die aus dem Langstreckentransport resultierenden Probleme werden sich nicht ohne enge Koordination mit den Nachbarn lösen lassen.“ Der Güterverkehr in Deutschland werde weiter wachsen. So sähe der Koalitionsvertrag beispielsweise eine starke Ausweitung der Bautätigkeit in Deutschland vor. Wohnungsbau, Infrastruktursanierung, aber auch der Ausbau der Windenergie erfordern den Transport großer Materialmengen – und der werde primär über den Lkw abgewickelt werden. • 2|2022
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