4 Aktuell Arbeitgeber Die Besten sind vom Bau Die Baubranche boomt und der Fachkräftemangel zieht gleichermaßen an. Diese Schere zwingt Unternehmer der Bauwirtschaft offensichtlich erfolgreich in die Offensive: In der aktuellen Runde des Arbeitgeberwettbewerbes „Top Job“ sind mit 25 % so viele Arbeitgeber aus der Bau-Szene platziert wie noch nie. Sogar der Titel „Arbeitgeber des Jahres“ geht in die Branche. Dabei muss vor allem beachtet werden, dass das Klischee, der Bau ist kulturell speziell, nach wie vor lebt: raue Töne, harte körperliche Arbeit bei jedem Wetter und eine vermeintlich schlechte Bezahlung. Das sind die Hauptgründe, warum immer mehr junge Menschen sich gegen einen Bauberuf entscheiden. „Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung ist es umso erfreulicher, dass so viele Unternehmen aus der Bauwirtschaft gezeigt haben, dass unsere Branche hervorragende Chancen und vor allem auch Perspektiven auf allen Ebenen – von der Ausbildung bis hin zur Bauleitung – bietet. Gerade weil vielfach noch ein falsches Bild von der Bauwirtschaft besteht, ist die Auszeichnung auch für andere Bauunternehmen ein wichtiges Signal, jetzt aktiv zu werden und noch offensiver um Nachwuchskräfte zu werben“, bemerkt Dieter Babiel, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. Der branchenübergreifenden Auszeichnung „Top Job“ liegt eine wissenschaftlich fundierte Mitarbeiterbefragung zugrunde, die die Universität St. Gallen durchführt. Wer die Kriterien erfüllt, darf das Arbeitgebersiegel für zwei Jahre tragen. Ein Bauunternehmen hat sogar doppelten Grund zur Freude: Kögel Bau aus Bad Oeynhausen feiert neben ihrem 50. Firmenjubiläum den 1. Platz in ihrer Größenklasse und erhält damit den Titel „Arbeitgeber des Jahres 2018“. Frank Kögel, der zum wiederholten Male mit der Top-Job-Analyse arbeitet, berichtet: „Wir arbeiten stetig an uns, denn eine gute Bezahlung allein macht aus uns noch keinen guten Arbeitgeber.“ Diese untersucht unter anderem die Führungsqualität, die Weiterentwicklungschancen, die wertschätzende Kommunikation und die Vertrauenskultur in den Unternehmen – allesamt Auszeichnung von Kögel Bau (v.l.n.r.): Corinna Wohlfeil (Moderation), Prof. Dr. Heike Bruch (wissenschaftliche Leitung TOP JOB), Gerd Nottmeier (Teamleiter Personal Kögel Bau), Peter und Frank Kögel (Geschäftsleitung Kögel Bau), Silke Masurat (Geschäftsführung zeag GmbH), Wolfgang Clement (Mentor/ Wirtschaftsminister a. D.) (Quelle: zeag GmbH) Immer mehr junge Menschen entscheiden sich gegen einen Ausbildungsberuf am Bau. wichtige Elemente für die Mitarbeiterbindung. Denn darum geht es an erster Stelle: Die guten Leute müssen an Bord gehalten werden in Zeiten, in denen eine hemmungslose Abwerbementalität um sich greift. Seit der ersten Top-Job-Teilnahme im Jahr 2014 ist bei Kögel diese so wichtige Mitarbeiterbindung kontinuierlich gestiegen. Zur Nachwuchssicherung setzen die Ostwestfalen auf ein vermehrtes Angebot des dualen Studiums und die intensive Ausbildung in insgesamt neun Berufen – stolz verweist man hier auf eine Ausbildungsquote von über 12 %. Bei den Bad Oeynhausern glaubt man an das 220 mitarbeiterstarke Unternehmen und ist glücklich, Teil des Teams zu sein. „Wir haben es hier mit einem außerordentlich modern denkenden Familienunternehmen zu tun, das mit einem ausgeprägt werteorientierten Management wahrlich Zeichen setzt. Und genau deshalb wird den Bedürfnissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei allen Planungen und Entscheidungen ein bemerkenswert hoher Stellenwert beigemessen“, bemerkt Prof. Bert Rürup, der als Top-Job-Jurymitglied die vorbildlichen Bedingungen würdigt und die Laudatio auf das Vorreiterunternehmen Kögel in Berlin hielt. Auch Babiel zeigt sich stolz, dass ein Mitgliedsunternehmen des Bauindustrieverbandes Nordrhein-Westfalen es bis nach ganz oben geschafft hat: „Hier zeigt sich, wie erfolgreich man mit Eigeninitiative und Kreativität Nachwuchswerbung betreiben kann. Hinzu kommt bei Kögel auch die Verankerung in der Region als Familienunternehmen. Die kommt offensichtlich bei den zukünftigen Fach- und Führungskräften sehr gut an.“ Natürlich macht die fortschreitende Digitalisierung auch vor den Toren der Bauwirtschaft nicht halt. Laut einer Studie der deutschen Industrie- und Handelskammer bejahen 93 % der Unternehmen, dass die Digitalisierung die Gesamtheit der Prozesse beeinflussen wird und in spezieller Weise auch die der Baubranche. Erfolgreiche Beispiele dafür finden sich auch in der Riege der jetzt in Berlin geehrten top Arbeitgeber 2018. So arbeiten beim Baustoffhersteller Kemmlit aus dem baden-württembergischen Dussligen die Mitarbeiter bereits regelmäßig in mehreren großen und kleineren Digitalisierungsprojekten in abteilungsübergreifenden Projektteams zusammen, um die Digitalisierung voranzutreiben. Die Gütersloher Unternehmensgruppe Hagedorn zeigt sich in der Nachwuchsfortbildung digital: angehende Baumaschinenführer ent- 2|2018
Aktuell 5 wickeln ihre Fähigkeiten zunächst auf den eigens dafür gebauten Virtual-Reality-Simulatoren bis hin zur Prüfungsreife. Insgesamt haben knapp 9.000 Mitarbeitende der Baubranche ihren Arbeitgebern ein gutes Zeugnis ausgestellt und damit bescheinigt, dass die 22 Unternehmen auf dem richtigen Weg sind. „Das ist ein sehr erfreuliches und deutliches Signal, welches zeigt, dass auch in prekären Branchen sehr gute Ergebnisse in Sachen Arbeitgeberattraktivität möglich sind“, kommentiert Silke Masurat, Geschäftsführerin des Zentrums für Arbeitgeberattraktivität. Für die aktuelle Top-Job-Auszeichnung haben sich über alle Branchen hinweg 120 mittelständische Firmen beworben. 85 Unternehmen dürfen nun für die nächsten zwei Jahre das Siegel tragen. Insgesamt wurden 19.841 Mitarbeitende befragt, davon arbeiten rund 57 % in Familienunternehmen. Unter den top Arbeitgebern befinden sich 25 nationale und sechs Weltmarktführer. Im Durchschnitt beschäftigen die Unternehmen 414 Mitarbeiter und die Frauenquote in Führungspositionen liegt bei durchschnittlich 28 %. • Expertentipp: Was macht einen guten Arbeitgeber aus? Studien, Befragungen, Expertenmeinungen – Arbeitgeber müssen sich heutzutage aus allen Richtungen anhören, was sie attraktiv und zu den Besten ihrer Branche macht. Führungskultur, Teamzusammenhalt, Familienfreundlichkeit, Karrieremöglichkeiten, Unternehmensimage – was und wer entscheidet denn nun wirklich darüber, ob Arbeitnehmer gerne in einem und vor allem für ein Unternehmen arbeiten? Beispielhaft möchte ich Ihnen nachfolgend zehn Komponenten für ein langfristig gutes und für alle Beteiligten belebendes Arbeitsverhältnis: 1. Vertrauen Ein vertrauensvolles Miteinander zwischen allen Beteiligten eines Arbeitsverhältnisses steht für viele Arbeitnehmer ganz oben auf der Prioritätenliste. Zuverlässigkeit in Personen, Aussagen und Handlungen gehören ebenso zu einem guten Arbeitgeber wie dessen Glaubwürdigkeit und Verbindlichkeit gegenüber Mitarbeitern und Geschäftspartnern. 2. Flexibilität Mitarbeiter wünschen sich Arbeitgeber, die nicht nur erwarten, dass Arbeitnehmer flexibel einsetzbar sind, sondern die selbst auch flexibel reagieren – z. B. auf die sich im Laufe eines Arbeitsverhältnisses ändernden Lebensumstände der Mitarbeiter. 3. Lob und Wertschätzung Nicht inflationär, dafür jedoch anlassbezogen und regelmäßig – auf das Maß kommt es an. Mitarbeiter wollen nicht gelobt werden um des Lobes willen, sie wollen eine reflektierte und ehrlich gemeinte Rückmeldung zu ihrer Arbeit. 4. Mitarbeiter am Erfolg beteiligen Ein guter Arbeitgeber wird seine Mitarbeiter auch an temporären Erfolgen in Form von finanziellen Anreizen, z. B. in Form von Sonderzahlungen, Prämien oder Gewinnausschüttungen, beteiligen. 5. Offener Umgang mit Konflikten Die Frage darf nicht sein, ob sich Unternehmen mit Konflikten zwischen Mitarbeitern und/oder Vorgesetzten befassen, sondern lediglich zu welchem Zeitpunkt wie gehandelt wird. 6. Mitarbeiter-Kritik annehmen können In vielen Unternehmen gehören Personalgespräche mittlerweile zum Arbeitsalltag. Eine wichtige Rolle für die Nachhaltigkeit dieser Gespräche spielt der offene Umgang mit und die Annahme seitens der Führungskräfte mit der Kritik ihrer Mitarbeiter. 7. Transparente Arbeitsaufträge Nichts macht Mitarbeiter unzufriedener und lässt jede Motivation auf den Nullpunkt sinken als eine Anweisung oder Aufträge, die unklar definiert und unzureichend bis gar nicht erklärt, begleitet und ausgewertet werden. 8. Klare Strukturen Unternehmensstrukturen und organisatorische Zuständigkeiten sollten von Mitarbeitern nachvollziehbar, praktisch umsetzbar und verständlich sein. 9. Individualität Jeder Mitarbeiter ist anders in seiner Persönlichkeit. Mitarbeiter wollen individuell gesehen und gehört und nicht als Stelle oder Personalnummer behandelt werden. 10. Regelmäßige Kommunikation Mitarbeiter wünschen sich feste Termine für Gespräche untereinander und mit den Vorgesetzten, um zeitnah über anstehende Projekte, Planungen und ggf. auch Probleme sprechen zu können. Jana Hechel ist als Kommunikationstrainerin und Fachreferentin für Arbeitsrecht seit mehr als 15 Jahren in den Bereichen Mitarbeiterführung, Personalwirtschaft, Sozialkompetenzförderung, Arbeits- und Ausbildungsrecht sowie Organisations management tätig. Kontakt: www.jana-hechel.de, kontakt@jana-hechel.de, mobil 0171/9937717 Jana Hechel (Quelle: Privat) 2|2018
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