38 Technik Vialytics Künstliche Intelligenz für bessere Straßen Das Wissen um den Zustand des Straßennetzes ist Basis für eine durchdachte Erhaltungsplanung. Das Stuttgarter Start-up vialytics hilft Städten und Gemeinden, den Zustand ihrer Straßen selbstständig per Smartphone zu erfassen und Instandhaltungsmaßnahmen effizient zu planen. Wie kann man künstliche Intelligenz dazu nutzen, Straßen clever instand zu halten? Das ist die Idee hinter dem Stuttgarter Start-up vialytics. „Für viele Städte und Gemeinden ist es bislang sehr aufwendig, den Zustand ihrer Straßen zu erfassen und vor allem aktuell zu halten. Vielen fehlt da der Überblick“, erklärt Danilo Jovicic, Geschäftsführer und bei vialytics für den Sales und die Finanzen verantwortlich. „Das führt dazu, dass oftmals der richtige Zeitpunkt für eine Sanierung verpasst wird. Die Folge sind dann aufwendige und kostenintensive Neubaumaßnahmen, die in der Regel fast fünfmal so teuer sind.“ Mit vialytics können Städte und Kommunen den Zustand ihrer Straßeninfrastruktur nicht nur schnell und ohne großen Aufwand erfassen, sondern notwendige Instandhaltungsmaßnahmen auch effizient und einfach planen. Über 60 Partnerkommunen zählt das 20-köpfige Start-up schon. Herzstück ist eine ebenso intelligente wie kostengünstige Lösung, die vielseitig einsetzbar ist: „Wir setzen bei der Datenerfassung auf städtische Fahrzeuge, beispielsweise von Müllabfuhr oder Ordnungsamt, die sowieso täglich auf den Straßen unterwegs sind“, sagt Jovicic. Ausgestattet werden sie dafür mit einem modifizierten Smartphone, das in der Windschutzscheibe, ähnlich einem Navigationssystem, angebracht wird. Über den Bewegungssensor werden Erschütterungen erfasst, die Kamera liefert alle 4 m ein hochauflösendes Bild, der GPS-Empfänger bestimmt den Standort. Die so gesammelten Daten werden zunächst auf dem Gerät zwischengespeichert und sobald eine WLAN-Verbindung vorliegt, an das Verarbeitungssystem von vialytics geschickt. Dort macht ein Algorithmus in einem ersten Schritt die personenbezogenen Daten, wie Kennzeichen oder Gesichter, unkenntlich. Anschließend werden die Bilder Zur Datenerfassung bringt vialytics ein modifizierten Smartphone an der Windschutzscheibe, ähnlich einem Navigationssystem, an. 4|2020
Technik 39 Über den Bewegungssensor werden Erschütterungen erfasst, die Kamera liefert alle 4 m ein hochauflösendes Bild, der GPS-Empfänger bestimmt den Standort. „Dank der Ampel-Logik sind schlechte Straßen sofort zu erkennen, auch vom Nicht-Fachmann.“ Vialytics setzt bei der Datenerfassung auf städtische Fahrzeuge, beispielsweise von Müllabfuhr oder Ordnungsamt, die sowieso täglich auf den Straßen unterwegs sind. (Quelle: Vialytics) auf Straßenschäden hin analysiert. Unterschieden wird beispielsweise zwischen Rissen, offenen Fugen, auf- oder eingelegten Flickstellen sowie Schachtdeckeln und Spurrinnen. Das Ausmaß des Schadens wird anhand von Schulnoten zwischen eins und fünf angezeigt. Im webbasierten Geoinformationssystem (GIS) von vialytics werden die Daten visualisiert und nach der gängigen Richtlinie E EMI 2012 (Empfehlungen für das Erhaltungsmanagement von Innerortsstraßen) kartografiert. Das GIS wird jeweils im Frühjahr und Herbst eines Jahres aktualisiert. Es ermöglicht den Kommunen, Änderungen im Straßenzustand einfach nachzuverfolgen und bietet ihnen eine aktuelle Basis für die jährliche Sanierungsplanung. Eine clevere Idee, für die vialytics im letzten Jahr mit dem „Smart Country Start-up Award“ in der Kategorie „Smart City“ ausgezeichnet wurde. Der Innovationspreis für junge Unternehmen mit herausragenden Lösungen für den Public Sector wurde von der Get Started Initiative des Bitkom, vergeben. „Unsere Kernkompetenz liegt vor allem in der automatisierten Auswertung der Daten“, erklärt Jovicic. „Wir können einzelne Schäden exakt klassifizieren und erreichen eine sehr hohe Objektivität.“ Auch für den Landkreis Freudenstadt im Südwesten Baden-Württembergs ein entscheidendes Argument. „Früher wurde die Zustandskontrolle von Mitarbeitern der Straßenmeisterei durchgeführt, die sich die einzelnen Abschnitte angeschaut und ihre Ergebnisse händisch protokolliert haben“, erinnert sich der Amtsleiter für das Straßenbauamt Matthias Fritz. Eine aufwendige Prozedur, die der Landkreis in dieser Form nicht fortführen wollte. Auf einer Landräteversammlung im vergangenen Jahr erfuhr Fritz von vialytics. „Wir haben jetzt einen objektiveren Überblick über unser Straßennetz und vermeiden individuelle Unterschiede in der Bewertung. Wir erkennen, welche Straßen schneller saniert werden sollten und welche noch ein wenig warten können. Für uns eine wichtige Entscheidungsgrundlage, wenn es darum geht, wie finanzielle Mittel für den Straßenerhalt am besten verwendet werden sollten.“ Seit Dezember 2018 arbeitet der Landkreis mit vialytics zusammen. Mehrere Fahrzeuge der Straßenmeisterei erfassen regelmäßig die rund 280 km der örtlichen Kreisstraßen. Rund 100 Euro pro Kilometer kostet die Soft- und Hardwarelösung den Landkreis jährlich. Vor- Ort-Termine gibt es dank der guten Bildqualität von vialytics nur noch selten. „Viele Sachverhalte können jetzt am PC geklärt werden.“ Zudem müssen die Ergebnisse nicht interpretiert werden. „Dank der Ampel-Logik sind schlechte Straßen sofort zu erkennen, auch vom Nicht-Fachmann.“ Kontakt: www.vialytics.de 4|2020
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