4 Aktuell Arbeitsmarktreport 2019 Fachkräftemangel: Entkoppelung vom Konjunkturverlauf Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat im Rahmen seiner DIHK-Konjunkturumfrage im Herbst 2018 die Industrie- und Handelskammern (IHKs) gebeten, die Unternehmen u. a. auch zum Themenfeld Fachkräftesicherung und Zuwanderung zu befragen. Die Ergebnisse dieser Umfrage wurde im März in Berlin präsentiert. Als ein Ergebnis kann festgehalten werden, dass sich der Fachkräftemangel weiter verstärkt. Besonders betroffen ist die Baubranche. Der DIHK-Auswertung liegen über 23.000 Unternehmensantworten zugrunde. Nach Wirtschaftsbereichen stammen die Antworten aus der Industrie (28 %), aus der Bauwirtschaft (7 %), aus dem Handel (22 %) und aus den Dienstleistungen (43 %). Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des DIHK, fasst die Ergebnisse zusammen: „Die Fachkräfteengpässe legen nochmals leicht zu.“ 49 % der befragten Betriebe könnten offene Stellen längerfristig nicht besetzen, weil sie keine passenden Arbeitskräfte fänden, berichtete Dercks. Dies sei nochmals mehr als im vergangenen Jahr (47 %) – und das trotz nicht mehr so positiver wirtschaftlicher Aussichten. „Daher sind die hohe Fachkräftenachfrage und die Stellenbesetzungsschwierigkeiten besonders bemerkenswert“, so Dercks. Besonders betroffen ist der Erhebung zufolge die Baubranche, aber auch technikorientierte Bereiche wie etwa der Werkzeugmaschinenbau. Dercks machte bei der Vorstellung des Reports deutlich: „Gelingt der vielfach erforderliche Ausbau bzw. die Instandsetzung der Verkehrsinfrastruktur nicht, hat dies erhebliche wirtschaftliche Folgen – nicht zuletzt für den Güterverkehr und die pünktliche Versorgung der Unternehmen beispielsweise im Einzelhandel oder in der Produktion mit Vorleistungsgütern.“ Auch der Ausbau der Informations- und Kommunikationssysteme und damit letztlich die Digitalisierung insgesamt könne sich erheblich verzögern, wenn die Fachkräfte hierfür fehlen würden. Die Unternehmen bräuchten jetzt gut qualifizierte MINT-Fachkräfte (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik), um sich im Wettbewerb behaupten zu können. Der Grund dieser Misere innerhalb der Baubranche ist für den DIHK klar. Denn laut Arbeitsmarktreport belegt die Bauwirtschaft auch den Spitzenplatz (80 %) darin, dass sie keine oder nicht in ausreichendem Maße Bewerbungen erhalte. Zunehmend haben laut Dercks Großunternehmen Probleme bei der Stellenbesetzung, die gemeinhin bei Bewerbern besonders beliebt sind. „Die größeren Schwierigkeiten auch dort sind ein deutlicher Hinweis auf steigende Fachkräfteengpässe insgesamt.“ Bei fast jedem zweiten Unternehmen mit aktuellen Stellenbesetzungsschwierigkeiten blieben inzwischen Vakanzen für Kandidaten mit dualer Ausbildung längerfristig frei, so der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer. 38 % suchten erfolglos Mitarbeiter mit einem Weiterbildungsabschluss, 33 % Hochschulabsolventen und immerhin 30 % Arbeitnehmer ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Dercks berichtet: „Bei den gering Qualifizierten ergibt sich im Vergleich zur Umfrage vor zwei Jahren die größte Steigerung.“ Inzwischen zeige sich mehr als die Hälfte der Betriebe grundsätzlich interessiert, Bewerber auch aus dem Nicht-EU-Ausland einzustellen. Lösungen aus der Misere Um den Fachkräftemangel einzudämmen, plädierte Dercks unter anderem für die Förderung der beruflichen Bildung inklusive der höheren Berufsbildung, die Stärkung digitaler Kompetenzen. So sehen die Unternehmen laut Arbeitsmarktreport die Notwendigkeit von Verbesserungen in der gesamten Bildungskette, um die Qualifikationsanforderungen in den Unternehmen besser mit den Bewerberqualifikationen in Einklang zu bringen. Die duale Ausbildung müsse noch weiter gestärkt werden. Dercks führte aus: „Wir müssen die Berufliche Bildung noch stärker als lohnende Alternative zu einem Hochschulstudium he rausstellen, um zukünftig mehr junge Leute dafür gewinnen und Fachkräftelücken besser schließen zu können.“ Laut einer Umfrage im Auftrag des DIHK gibt bei Gymnasiasten die Hälfte der Eltern an, dass die schulischen Angebote zur Berufs- und Studienorientierung ihrer Kinder eine Tendenz zum Studium haben. Um 3|2019
Aktuell 5 die duale Ausbildung zu stärken, gilt es daher, die Berufsorientierung an Gymnasien und anderen weiterführenden Schulen weiter zu verbessern, um gerade Abiturienten zu vermitteln, dass nicht nur ein Studium, sondern auch eine duale Ausbildung sowie die höhere Berufsbildung attraktive Karriereoptionen bieten. Absolventen der höheren Berufsbildung, also diejenigen, die sich nach ihrer beruflichen Ausbildung für eine Weiterbildung zum Meister oder Fachwirt entscheiden, haben nach dem DIHK das gleiche Qualifikationsniveau wie Bachelor- oder Masterabsolventen. Sie übernehmen in ihrem Erwerbsleben oft viel Verantwortung, haben hervorragende Entwicklungsperspektiven und verfügen über ein gutes Einkommen. Schon heute investieren die Unternehmen laut DIHK jährlich 33,5 Mrd. Euro in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter. Mehr Transparenz und Orientierung auf dem Weiterbildungsmarkt und eine bessere Vernetzung der in der Weiterbildungsberatung aktiven Player sollten oben auf der Agenda stehen. Denn der Weiterbildungsmarkt wird von Unternehmen und Beschäftigten oftmals als unübersichtlich empfunden. „Es ist heute wichtiger denn je, Erwerbspersonen in der Breite mit beruflicher Weiterbildung bedarfsorientiert auf die Herausforderungen der Digitalisierung vorzubereiten“, machte Dercks klar. Denn eine digitalisierte Wirtschaft benötige Fachkräfte, die über digitale Kompetenzen wie beispielswweise Medienkompetenz, Prozessmanagement, Umgang mit spezifischen IT-Systemen, Datenschutz, IT-Sicherheit sowie Datenauswertung und -analyse verfügen. Deswegen sei es richtig, auch über neue Förderinstrumente – z. B. ein „Digitalisierungs-BAföG“ oder eine Form der steuerlichen Weiterbildungsförderung – nachzudenken. Das würde helfen, Unternehmen und Beschäftigte beim Erwerb der für die Digitalisierung erforderlichen Kompetenzen finanziell zu unterstützen. Aber auch die Erleichterung von Zuwanderung bietet eine Chance, wie der Arbeitsmarktreport zeigt. Deutlich mehr als die Hälfte aller antwortenden Unternehmen ist grundsätzlich offen, Fachkräfte aus dem Nicht-EU-Ausland einzustellen. Als hilfreich für eine solche Einstellung sind aus Sicht der Unternehmen in erster Linie bessere Sprachkenntnisse der Bewerber. Zudem wünschen sich die Unternehmen besonders häufig ein einfacheres administratives Zuwanderungsverfahren sowie eine bessere Unterstützung in diesem oftmals komplexen Prozess. Auch die Erleichterung zuwanderungsrechtlicher Regelungen würde viele Unternehmen bei der Fachkräftesicherung unterstützen. Der DIHK bemängelt, dass die unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungen zu den jeweiligen Instrumenten der Ausbildungsförderung für Asylbewerber, Geduldete und Schutzberechtigte für die Unternehmen schwer zu durchschauen sind. Sinnvoll wäre, wenn die Instrumente der Ausbildungsförderung grundsätzlich allen jungen Flüchtlingen ebenso wie deutschen Jugendlichen direkt nach Abschluss eines Ausbildungsvertrages zur Verfügung stünden. Außerdem seien ein sicherer Schutz vor Abschiebung während der Einstiegsqualifizierung, eine Regelung zur Ausbildungsduldung sowie schnellere Asylverfahren wichtige Grundvoraussetzungen. • 3|2019
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