BRANCHEN-INFOS ?! recycling aktiv INTERVIEW Ettengruber: Vom Bauschutt zum Baustoff – ein umweltfreundlicher Stoffkreislauf Der VDMA-Fachverband Abfall- und Recyclingtechnik wird in diesem Jahr auf der IFAT die Praxistage Mineralik präsentieren. Dabei geht es nicht nur um die Aufbereitungstechnik allein, sondern um die gesamte Prozesskette – vom Abbruch über die Aufbereitung bis hin zur geprüften und gezielten Wiederverwertung. Einer der Partner ist dabei die in Dachau beheimatete Unternehmensgruppe Ettengruber, mit deren Geschäftsführer Grubenbetrieb Michael Weiß recycling aktiv im Vorfeld der IFAT ein höchst interessantes Interview führen konnte. „Das volle Potenzial von Recyclingmaterialien ausschöpfen“– so lautet das Credo von Michael Weiß, das wir nur unterstützen können. Im Anschluss an das Interview finden Sie die Aussteller und Partner der Praxistage Mineralik, ihre Statements und einen Geländeplan der IFAT Ettengruber stellt für die VDMA-Praxistage Mineralik das Ausgangsmaterial für die Maschinenvorführungen zur Verfügung und beschickt damit ebenfalls die vorhandenen Brech- und Siebanlagen. ra: Herr Weiß, die Ettengruber-Unternehmensgruppe ist Spezialist für den Abbruch und das Recycling von Baustoffen. Als erfahrenes Unternehmen begleiten Sie das Thema bereits seit vielen Jahren. Wie funktioniert Abbruch und vor allem Recycling in der Branche heute? Michael Weiß: In der fast 60-jährigen Geschichte der Firma Ettengruber hat sich sicherlich das Anforderungsprofil grundlegend geändert. Die Pionierarbeit, die in den Anfangsjahren im Bereich Abbruch und Aufbereitung von Materialien geleistet wurde, stand im Zeichen der optimalen Nutzung der auf der Baustelle gewonnenen Ressourcen. Der damals ungewöhnliche Gedanke, aus „Abfall“ wieder einen Baustoff herzustellen, wurde anfangs belächelt. Heute, nachdem die Firma bereits in der dritten Generation als Familienbetrieb geführt wird, profitieren wir von der jahrzehntelangen Erfahrung. Rückbau ist heute deutlich mehr als nur „Abbrechen“. Aufgrund der Fortschritte in der Bautechnik stellt sich der Prozess oft deutlich komplexer dar. In die vormals einfachen Gebäudekonstruktionen, die hauptsächlich aus Beton, Ziegel und mineralischen Komponenten gebaut wurden, fanden immer mehr spezielle, für ihren Bereich optimierte Baustoffe ihren Weg. Problematisch an dieser Entwicklung ist, dass oft erst Jahre später Erkenntnisse über die Gefährlichkeit von Baustoffen wie beispielsweise Asbest, KMF oder schwermetallhaltige Anstriche gewonnen werden. Dieses gestaltet den Rückbau eines Gebäudes oftmals schwierig und langwierig. Im Ergebnis geht heute jeder Maßnahme eine detaillierte Untersuchung der Bausubstanz voraus, um überhaupt abschätzen zu können, auf welche Weise und mit welchem Aufwand der Rückbau erfolgen kann. Grundsätzlich werden heute Gebäude selektiv, d. h. unter größtmöglicher Gewinnung und Sammlung der Einzelkomponenten, rückgebaut. Diese Art des Rückbaus ermöglicht einerseits die gezielte Verwertung und Entsorgung von belasteten Materialien, andererseits die Aufberei- Michael Weiß: „Wir kämpfen nach wie vor mit der Benachteiligung unserer Materialien in Ausschreibungen der öffentlichen Hand.“ 4 recycling aktiv 1/2018
BRANCHEN-INFOS tung der separierten Bauschutt- und Betonkomponenten zu qualitativ hochwertigen Baustoffen. ra: Wie hoch ist der Aufwand, um qualitativ hochwertige Recyclingbaustoffe zu generieren? Michael Weiß: Qualitativ hochwertiges Recycling beginnt für uns bereits auf der Baustelle. Wir betreiben bereits auf der Baustelle, d. h. am Ort der Gewinnung der Sekundärrohstoffe, einen hohen Aufwand bei der Vorsortierung der Materialien, die aufbereitet werden sollen. Denn, je weniger Störstoffe wie Kunststoff und Holz in den Ausgangsmaterialien enthalten sind, desto hochwertiger sind die daraus hergestellten Baustoffe. Im nächsten Schritt werden die Materialien, bevor sie von der Baustelle abgefahren werden können, beprobt und analysiert. Es folgt eine strenge Eingangskontrolle der Materialien bei der Annahme in unserem Recyclingzentrum. Nach den verschiedenen Bearbeitungsschritten wie Brechen, Sieben, Sortieren und Klassieren lassen wir alle hergestellten Materialien zertifizieren, um diese anschließend ohne Einschränkung als Produkt vermarkten und verwenden zu können. Anfangs wurde der Gedanke, aus „Abfall“ wieder einen Baustoff zu gewinnen, eher belächelt. ra: Lohnt sich dieser Aufwand? Es existieren ja noch immer Vorurteile gegen Recyclingbaustoffe. Michael Weiß: Es ist ganz klar ein hoher Aufwand, aber wir sehen darin die einzige Möglichkeit, um Recyclingmaterialien langfristig am Markt zu etablieren. Dies kann nur mit konstant hohen Materialqualitäten und einer für den Abnehmer nachvollziehbaren Überwachung und Qualitätssicherung gelingen. Diese Vorgehensweise ist auch das beste Mittel, um die teilweise vorherrschende Unsicherheit im Umgang mit Recyclingmaterialien zu verringern. Allerdings kämpfen wir nach wie vor mit der Benachteiligung unserer Materialien in Ausschreibungen der öffentlichen Hand. Hier muss zukünftig zumindest eine produktneutrale Ausschreibung erfolgen, in manchen Bereichen wäre sogar eine vorrangige Verwendung von Recyclingbaustoffen durchaus sinnvoll. Der Aufwand bei der Aufbereitungstechnik ist heute sehr hoch, aber nur so lassen sich Recyclingmaterialien langfristig am Markt etablieren. Fotos: Ettengruber ra: Herr Weiß, die Baubranche boomt aktuell. Welche Rolle können Recyclingbaustoffe in der aktuellen Phase spielen? Michael Weiß: In einigen Bereichen wie dem Straßen- und Gewerbebau sind Recyclingbaustoffe aufgrund ihrer guten bautechnischen Eigenschaften etabliert und fungieren dort als umweltfreundlicher Ersatz für Primärrohstoffe. Da Recyclingbaustoffe meist dort gewonnen werden, wo auch die größte Nachfrage nach Baustoffen besteht, können sie eine wirtschaftliche und umweltfreundliche Alternative zu Primärrohstoffen darstellen, die oft über viele Kilometer bis zum Ort der Verwendung gefahren werden müssen. Sicherlich werden die Recycling- baustoffe in den nächsten Jahren auch im Hochbau, z. B. als Gesteinskörnung für Beton, zum Einsatz kommen. Allerdings verhindert das leider im Vergleich zu anderen europäischen Ländern rückständige deutsche Regelwerk einen umfangreicheren Einsatz, der technisch durchaus möglich wäre. ra: Sie sprachen von der Unwissenheit über die Qualität der Recyclingbaustoffe. Ist dies auch ein Grund für das Engagement des Unternehmens Ettengruber bei den VDMA-Praxistagen im Rahmen der IFAT 2018? Michael Weiß: Ja, dies ist sicherlich ein recycling aktiv 1/2018 5
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