18 FORSCHUNG Den Sturm meistern Handlungshinweise für die Gesteinsindustrie Die Gesteinsindustrie sieht sich mit neuen Unübersichtlichkeiten konfrontiert – sei es durch veränderte Planungsrahmenbedingungen, neue Anforderungen an die Bürgerbeteiligung oder in den bisherigen Ausmaßen ungekannten bürgerschaftlichen Widerstands. Im letzten Schritt eines AiF-geförderten Forschungsvorhabens hat sich das Forschungsteam SRE – Stadt und Regionalentwicklung der Universität Tübingen – mit Handlungsoptionen für die Gesteinsindustrie auseinandergesetzt. Ansätze möglicher Konfliktregelungen werden nachfolgend skizziert. In unterschiedlichsten gesellschaftlichen Kontexten stehen Konflikte „auf der Tagesordnung“, wie zum Beispiel die Auseinandersetzungen um das Großvorhaben Stuttgart 21, die vermutlich viele Menschen direkt vor Augen haben. Seit der Reaktorkatastrophe von Fukushima und der forcierten Energiewende entzünden sich zunehmend konflikthafte Proteste im Kontext des Baus von Windkraftanlagen oder neuen Stromtrassen. Auch die Einrichtung neuer Großschutzgebiete wie Nationalparke kann mit heftigen Spannungen verbunden sein, wie sich zuletzt im bayerischen Spessart manifestierte. Und vor dem Hintergrund weltpolitischer Konflikte um Nordkorea oder die Ukraine erscheint im Verhältnis beispielsweise der Widerstand gegen die Genehmigung (der Erweiterung) einer Gewinnungsstätte „leicht“ lösbar, doch im Großen wie im Kleinen zeigt sich die markante Herausforderung, wenn Betroffene „mitten im Sturm stehen“ und Entscheidungen treffen müssen. Wie soll agiert werden, wenn Unternehmen der Gesteinsindustrie mit neuen politisch-planerischen Anforderungen konfrontiert werden und auf unerwartet heftigen Widerstand seitens der Zivilgesellschaft stoßen? Wie lassen sich die „Schiffe“ der Gesteinsindustrie in stürmischen Zeiten navigieren? Um Unternehmen einen gewissen Kompass in die Hand zu geben, wurden seit Herbst 2015 in einem AiFgeförderten Forschungsvorhaben Konflikte um die Rohstoffgewinnung in Deutschland ausführlich aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet (zu den Zwischenständen unter anderem Aschenbrand et al. 2017; Weber, EISIGES VERHÄLTNIS und steigender Druck? Das muss nicht sein, wenn der richtige Weg zum Miteinander gefunden wird. Fotos: MIRO-Fotowettbewerb 2017 GESTEINS PERSPEKTIVEN 1/2018
FORSCHUNG 19 ANGST VOR STAUB, LÄRM UND VERKEHR? Oft sind es diese Aspekte, über die gesprochen werden muss. Jenal et al. 2016). Im Folgenden wird zunächst eine kurze konfliktbezogene Rahmung vorgenommen, bevor Hinweise für die Gesteinsindustrie in den Mittelpunkt gerückt werden. Konflikte als Normalität anerkennen Bis heute hält sich vielfach wacker die Vorstellung, dass Konflikte vermieden oder unbedingt gelöst werden sollen. Diese kollidiert allerdings mit aktuellen gesellschaftlichen Wirklichkeiten in der Postmoderne, in der Unsicherheiten und Uneindeutigkeiten nicht ausbleiben (können) (dazu Bauman 1999, 2000; Kühne 2006). Die zunehmende Differenzierung (bspw. in Organisationen, Interessenvertretungen, Initiativen, Parteien, aber auch Studienfächern etc.) bedeutet einerseits eine zunehmende Komplexität sozialer Beziehungen, andererseits eine Zunahme an Sichtweisen und Weltverständnissen (Luhmann 2017). Da die Gesellschaft nicht stabil ist, sondern sich stets wandelt, vollziehen sich ständige Konflikte um die Prioritäten der Gesellschaft, anerkannte Deutungen von Prozessen etc. So wird der Wirtschaftsentwicklung heute nicht mehr automatisch ein Vorrang gegenüber Naturschutz oder Lebensqualität eingeräumt. Belange des Einzelnen, ob Mensch oder Tier, sind nicht zwangsläufig beispielsweise einer schnelleren Verkehrsanbindung unterzuordnen. Widerstreitende Interessen befinden sich regelmäßig in Auseinandersetzungen. Ein Perspektivwechsel, den unter anderem bereits der mittlerweile als „Klassiker“ geltende Soziologe Ralf Dahrendorf in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts anregte, wird damit gerade auch für Unternehmen der Gesteinsindustrie bedeutsam. Dahrendorf (1972, S. 20) plädiert für ein Anerkennen von Konflikten: „Wer den Konflikt als eine Krankheit betrachtet, missversteht die Eigenart geschichtlicher Gesellschaften zutiefst; wer ihn in erster Linie „den anderen“ zuschreibt und damit andeutet, dass er konfliktlose Gesellschaften für möglich hält, liefert die Wirklichkeit und ihre Analyse utopischen Träumereien aus. Jede […] selbstgewisse und dynamische Gesellschaft kennt und anerkennt Konflikte in ihrer Struktur“. Zum einen sind Konflikte in Gesellschaften unausweichlich (Dahrendorf 1961, S. 198, 1972, S. 21). Zum anderen erfüllen sie auch eine produktive Funktion, da durch sie Wandel und Fortschritt befördert werden: „Alles soziale Leben ist Konflikt, weil es Wandel ist. Es gibt in der menschlichen Gesellschaft nichts Beharrendes, weil es nichts Gewisses gibt. Im Konflikt liegt daher der schöpferische Kern aller Gesellschaft und die Chance der Freiheit“ (Dahrendorf 1961, S. 235). Alle gesellschaftlichen Teile streben nach einer Verbesserung von Lebenschancen, die aber Restriktionen und Konkurrenzen unterliegen. Die Gemengelage unterschiedlicher Interessen, Wünsche und Erwartungen zu beobachten, zu analysieren und zu versuchen, nicht nur die eigene Sichtweise als sinnvoll zu betrachten, kann dabei helfen, eine Konflikt-Regelung zu „Aktives Zuhören wird zur Pflicht und zum Gebot, ebenso der Versuch, bei emotional aufgeladenen Situationen kein ‚Öl ins Feuer‘ zu gießen.“ ermöglichen. Zu beachten ist explizit die zweite Worthälfte „Regelung“: Ralf Dahrendorf (1961, S. 225–230, 1972, S. 40– 44; hierzu resümierend Kühne 2017, S. 40–41) hält weder die dauerhafte Lösung von Konflikten (da diese die Beseitigung der Ursachen von Konflikten, also letztlich der Ungleichheit von Menschen bedeutete) noch deren herrschaftliche Unterdrückung (da sich diese letztlich in blutigen Revolutionen auswüchse) für möglich, sondern setzt auf eine Regelung von Konflikten. Vier Aspekte sind für ihn entscheidend: Gegensätze müssen als berechtigt anerkannt werden. Es ist in Ordnung und legitim, dass um Veränderungen gerungen wird. Konkrete Konflikte in ihren spezifischen Ausprägungen sind zu bearbeiten, nicht deren allgemeine Ausgangspunkte. Verlässliche Partner müssen aufeinandertreffen, die in der Lage sind, für andere zu sprechen und für sie um Regelungen zu ringen. Gemeinsame Spielregeln sind aufzustellen und einzuhalten. Hierzu zählen Gleichberechtigung, ein Abrücken von Maximalforderungen, eine Fokussierung auf den konkreten Konfliktgegenstand und ein Akzeptieren getroffener Vereinbarungen (dazu auch Kühne 2018). Haben sich erst einmal Fronten verhärtet und treffen statt Gegnern unerbittliche Feinde aufeinander (hierzu Mouffe 2014; Weber 2018), wird es zu einer umso größeren Herausforderung, zu einer Regelung beizutragen, die für möglichst viele Beteiligte tragbar erscheint. Der Weg von einem Gespräch, das eine Tendenz zu einer gewissen Unnachgiebigkeit aufweist, bis hin zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung ist zwar einerseits ein weiter, andererseits können unbedachte Schritte schnell auch zu einer Konflikteskalation führen, in der das Gegenüber immer mehr als unmoralisch diskreditiert wird. Mit diesem in Aushandlung zu kommen, wird dann weder als möglich noch als sinnvoll angesehen. Unternehmen der Gesteinsindustrie brauchen Verlässlichkeit und Zukunftsperspektiven, Naturschutzverbände sind auf einen Schutz von Natur und Umwelt bedacht, Bürger 1/2018 GESTEINS PERSPEKTIVEN
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