30 Schwerpunkt: Bitumen Überblick zum Forschungsprojekt Bindemitteldesign für Asphaltstraßen (Quelle: Eurobitume) Im Rahmen dieses Projekts wurde das Ziel verfolgt, ein Bindemitteldesign abzuleiten, mit dem eine gezielte Beeinflussung der Bitumeneigenschaften möglich wird. Dafür wurden elf Bitumenproben in drei verschiedenen Alterungszuständen mithilfe unterschiedlicher chemischer und physikalischer Verfahren untersucht. Basierend auf den Prüfergebnissen wurden zunächst bilaterale Zusammenhänge zwischen den chemischen und physikalischen Kennwerten gesucht und anschließend Modelle in Form von Linearkombinationen erstellt, in denen die physikalischen Kennwerte durch chemische Kennwerte erfasst wurden. In diesem Zusammenhang zeigte sich, dass sowohl die Gehalte als auch die Molmassen und somit die Molekülgrößen der einzelnen Bitumenfraktionen einen entscheidenden Einfluss auf das Verhalten des Bitumens aufweisen. Durch das Umstellen der Linearkombinationen ergibt sich ein theoretisches Bindemitteldesign, mit dem bei Vorgabe eines Kennwerts die erforderlichen Fraktionsgehalte zum Erreichen des Kennwerts bestimmt werden können. FÖRDERUNG Diesem Artikel liegen Teile des im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, vertreten durch die Bundesanstalt für Straßenwesen, unter FE 07.0249/2011/BRB laufenden Forschungsvorhabens zugrunde. Die Verantwortung für den Inhalt liegt allein bei den Autoren. Für den Einsatz von Bitumen im Straßenbau ist die Kenntnis über die Eigenschaften des Bindemittels unerlässlich. Ein innovativer Schritt darüber hinaus wäre es, wenn die Eigenschaften des Bitumens gezielt beeinflusst werden und die Bindemittel somit den jeweiligen Anforderungen angepasst werden könnten. Einen theoretischen Ansatz zu dieser gezielten Beeinflussung der Bitumeneigenschaften bildet das Projekt Bindemitteldesign für Asphaltstraßen durch Definition eines chemisch-rheologischen Anforderungsprofils (FE 07.0249/2011/BRB). Das Ziel dieses Projekts war das Auffinden von Zusammenhängen zwischen dem chemischen Aufbau und den physikalischen Eigenschaften des Bitumens. Auf der Grundlage dieser Zusammenhänge sollte anschließend ein Bindemitteldesign abgeleitet werden, das eine gezielte Beeinflussung der Bitumeneigenschaften erlaubt. Untersuchungsgrundlage Als Untersuchungsgrundlage dienten elf Straßenbaubitumen aus fünf verschiedenen Raffinerien, die in vier unterschiedlichen Sorten nach DIN EN 12591 (2009) vorlagen. Weiterhin wurden vier verschiedene Gesteinsproben betrachtet, die sehr unterschiedliche Hafteigenschaften zum Bitumen aufwiesen. Durch die Probenauswahl sollte ein möglichst weites Feld unterschiedlicher Eigenschaften von Bitumen und Gesteinskörnung abgedeckt werden. Die Proben wurden mithilfe einer Vielzahl chemischer und physikalischer Methoden untersucht, wobei die Bitumenproben in unterschiedlichen Alterungszuständen betrachtet wurden. Dabei wurde mittels des Rotating Flask Tests (RFT) nach DIN EN 12607-3 (2007) eine Kurzzeitalterung und mittels einer Kombination aus RFT- und PAV-Alterung (Pressure Ageing Vessel) nach DIN EN 14769 (2012) eine Langzeitalterung simuliert. Einen Überblick zu den angewandten Untersuchungsverfahren zeigt Abbildung 1. Die chemischen Untersuchungen erfolgten dabei überwiegend im Fachgebiet Chemie mesoskopischer Systeme der Universität Kassel, während die physikalischen Untersuchungen vom ASPHALTA Prüf- und Forschungslaboratorium Berlin durchgeführt wurden. In diesem Artikel werden jedoch nicht die Ergebnisse aller Untersuchungsmethoden betrachtet, sondern die wesentlichen Ergebnisse aus dem Projekt in Bezug auf das 1|2019
Schwerpunkt: Bitumen 31 Bitumen vorgestellt. Für tiefer gehende Informationen zu den Randbedingungen der einzelnen Methoden sowie den Ergebnissen in Bezug auf das Haftverhalten und Alterungsverhalten sei an dieser Stelle auf den Schlussbericht des Projekts [Stephan, Weigel 2018] verwiesen. Die Auswertung der Untersuchungsergebnisse basierte auf statistischen Verfahren, wobei in einem ersten Schritt bilaterale Korrelationen zwischen den chemischen und physikalischen Kennwerten gesucht wurden. Zur Bewertung dieser Korrelationen diente der Korrelationskoeffizient nach Pearson r, der sowohl eine Aussage über die Stärke als auch über die Richtung eines Zusammenhangs erlaubt. Ein positiver Korrelationskoeffizient beschreibt dabei einen positiven linearen Zusammenhang, sodass mit ansteigenden Werten der einen Variablen auch die Werte der zweiten Variablen zunehmen. Durch einen negativen Koeffizienten wird hingegen eine gegenläufige Entwicklung von zwei Variablen beschrieben. Weiterhin gelten im Allgemeinen Zusammenhänge mit einem Koeffizienten von |r| ≥ 0,8 als starke Korrelationen, während 0,8 > |r| ≥ 0,5 Korrelationen mittlerer Stärke und |r| < 0,5 schwache Korrelationen symbolisieren [Janssen, Laatz 2013; Fahrmeir et al. 2007]. In einem weiteren Schritt wurden Modelle zur Erfassung der physikalischen Kennwerte auf Basis der chemischen Kennwerte erstellt. Aufgrund der Vielzahl an Kennwerten wurde dafür eine multivariate Regressionsanalyse durchgeführt, für die sich bspw. die Multiple Lineare Regressionsanalyse (MLR) oder die Hauptkomponentenregression (Principal Component Regression PCR) eignet. Diese Methoden erlauben die Erfassung einer Zielgröße durch mehrere x-Variablen gleichzeitig, wofür eine Linear kombination der Form y physikalisch = b 0 + b 1 ∙ x Chemie,1 + b 2 ∙ x Chemie,2 + … + b n ∙ x Chemie,n erstellt wird. Grundsätzlich eignen sich beide Verfahren für die betreffende Auswertung, wobei die PCR grundsätzlich auch mit stark korrelierenden x-Variablen umgehen kann. Dafür ist in dieser Methode eine Faktorenanalyse integriert, mit der zunächst stark korrelierende Variablen zu Faktoren zusammengefasst werden. Diese Faktoren bilden die Eingangsgrößen für die Regressionsanalyse, wobei die Regressionskoeffizienten anschließend wieder auf die ursprünglichen Variablen umgerechnet werden [Kessler 2007]. Im Rahmen dieses Artikels wurde die Hauptkomponentenregression (PCR) angewandt, um Einflüsse aus möglichen Korrelationen zwischen den x-Variablen erfassen zu können. Zur Bewertung der ermittelten Modelle wurde zum einen das Bestimmtheitsmaß R 2 als Maß für das Verhältnis von erklärter Streuung zur Gesamtstreuung und zum anderen der mittlere Fehler Root Mean Square Error (RMSE) der Anpassung herangezogen. Der mittlere Fehler RMSE kann der zulässigen Spanne des jeweiligen Kennwerts nach der entsprechenden Norm gegenübergestellt und somit die Güte des erarbeiteten Modells abgeschätzt werden (nach [Fahrmeir et al. 2007; Kessler 2007; Backhaus et al. 2011; de Peinder 2009]). Weiterhin wurde zur Bewertung des Modells eine Kreuzvalidierung durchgeführt, für die im Rahmen einer Analyse mehrere Einzelmodelle erstellt werden. Für jedes dieser Modelle wird jeweils eine Probe aus der Modellerstellung ausgeschlossen und Abbildung 1: Überblick zu den angewandten Untersuchungsmethoden im Rahmen des Projektes Bindemitteldesign. (Quelle: TU Berlin) • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 1|2019
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